Ernie Novosel
Als Arbeiterkind in einem Gemeindebau hatte ich nur über Schule, Erstkommunion und Firmung Kontakt zur Kirche. Als Tischmutter für meinen ältesten Sohn wollte ich Vorbild sein und mich mehr mit meinem Glauben auseinandersetzen. So kam ich 1982 zur ACUS – Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus.
Das Streben nach einer gerechten Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit materialistischer Bibelexegese in dieser Gruppe stellt eine Verbindung dar: Zwischen meinem sozial engagierten Vater, der nach den Erfahrungen mit Waffensegnungen im Krieg nichts mehr mit Kirche zu tun haben wollte, und meiner Suche nach mehr als nur Konsum. Die starken Frauen-Erzählungen aus dem Ersten und aus dem Neuen Testament halfen mir, meine Familiensituation gut zu bewältigen. Gerade die unangepassten Frauen wurden in ihren Extrem-Situationen durch heilige und heilsame Geistkraft beschützt und bestärkt.
In meinem Studium der Kath. Fachtheologie war in den frühen 1990er Jahren über Befreiungstheologie und Feministische Theologie kaum etwas zu hören. Deshalb wurden die engagierten Feministischen Theologinnen die Verbindung für mich zur kfb. Ich nahm an vielen Veranstaltungen und den Frauensynoden 1992 und 1996 teil. Auf meinem Einsatz auf den Philippinen 1997 durfte ich vor Ort die Entwicklung der vom Familienfasttag geförderten Grameen-Bank – Bank der Armen – begleiten.
In der Pension habe ich ein fächerübergreifendes Studium (Theologie-Pädagogik-Religionswissenschaft) abgeschlossen und setze mich für Ökumene sowie interreligiöse Zusammenarbeit bei den Religions for Future ein.
Da Franziska Berdich 2022 als Vorsitzende der kfb zurückgetreten ist und sich in der Folge lange keine Kandidatin für den Vorsitz fand, erklärte ich mich bereit, diese Funktion zu übernehmen. Die Begegnung mit so vielen unterschiedlichen, engagierten, tollen, tüchtigen, lustigen, nachdenklichen, geerdeten Frauen energetisiert mich.
Der Stärkung der Frauen und mehr Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Katholischen Kirche gilt mein Einsatz. Die Frauenweihe zu Diakonat und Priestertum ist mir ein großes Anliegen sowie der Dialog auf Augenhöhe zwischen Klerikern und Lai*innen.
Besonders gefällt mir die Bibelstelle Gen. 16,13: Da nannte sie den Namen des HERRN, der zu ihr gesprochen hatte: Du bis El-Roï – Gott schaut auf mich -. Denn sie sagte: Gewiss habe ich dem nachgeschaut, der auf mich schaut. Hagar, die schwangere ägyptische Sklavin, die ihrer Herrin Sara davongelaufen ist, hat eine besondere Begegnung in der Wüste und benennt die Quelle daraufhin „Brunnen des Lebendigen, der nach mir schaut.“ Als widerspenstige, nicht-jüdische Leibeigene bekommt sie von Gott die Zusage - gleich wie Abraham - dass ihre Nachkommen so zahlreich sein werden, dass man sie nicht zählen kann. Ihren Sohn soll sie Ismael „Gott hört“ nennen. Auf ihn berufen sich die Muslime.
Meine Stärke ist mein Streben nach Bildung in einem umfassenden Sinn, um an gerechten Strukturen für ein Gutes Leben für alle mitzuarbeiten.
Eine besondere Bedeutung in meinem Leben haben meine Freundinnen, mit denen ich seit Jahrzehnten verbunden bin.
Was jemanden vermutlich an mir überraschen würde, dazu kann ich mir nichts vorstellen, weil ich offen bin und mein Herz auf der Zunge trage.