„Wir beziehen unsere Stärke aus der christlichen Soziallehre“
Das Pfingstfest steht bevor. Pfingsten gilt als „Geburtsstunde“ der Kirche und als Fest der Erneuerung. Die Kirche in ganz Österreich ist in einem starken Wandel, die Katholische Aktion und ihre Gliederungen, die das kirchliche Leben mittragen, stehen mitten in diesen Transformationsprozessen.
Wenn Du die Worte „Kirche“ und „neu“ hörst und in Verbindung bringst: Welche Stichworte, Gedanken, Bilder und Wünsche tauchen da bei Dir auf?
Reinhard Bödenauer: Als Katholische Aktion beziehen wir unsere Stärke aus der christlichen Soziallehre. Mit den Werten Personalität, Gemeinwohl, Solidarität, Subsidiarität, Option für die Armen und Nachhaltigkeit begegnen wir den Menschen auf allen Ebenen, beginnend in den Pfarren, wo die Gruppen der KA höchst aktiv sind und zum Leben der Pfarrgemeinde beitragen.
Wir gehen auch im Sinne des synodalen Prozesses an die Ränder und engagieren uns politisch für die Armen und Fernstehenden. Wir organisieren und leisten einen vielfältigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Bewahrung der Schöpfung. Dabei achten wir nicht darauf, ob alle brave Kirchenbeitragszahler sind,sondern stehen als Vertreterinnen und Vertreter der Kirche auf der Seite all jener, die sich für eine bessere und gerechtere Welt einsetzen. Unerträglich ist für mich das Bild der verschlossenen Türen, der ängstlichen Kirche.
Im Blick auf eure Diözese: Welche Reformen und Umstrukturierungen sind in letzter Zeit gesetzt worden und wie ist die KA in diese eingebunden?
Reinhard Bödenauer: Ich könnte jetzt viel über Einsparungen reden, wo die Katholische Aktion der Erzdiözese Wien und alle Gliederungen in den letzten 7 Jahren 30 Prozent Personal eingespart hat. Wir müssen personell gesehen unsere Arbeit und Schwerpunkte bündeln, sind aber inhaltlich stärker aufgestellt.
Inhaltlich gesehen sehe ich die wichtigste Transformation der Diözese bei der gesellschaftlichen Herausforderung der Schöpfungsverantwortung. Hier hat uns Papst Franziskus mit der Enzyklika „Laudato si“ eine Steilvorlage gegeben und diese müssen wir auf lokaler Ebene umsetzen. Das diözesane Umweltbüro ist ja Teil der KA. Aber auch alle anderen Gliederungen sehen die Umweltfrage als zentralen Auftrag. Ausgehend von der Enzyklika „Laudato si“ organisieren Umweltbüro und die Welthaus-Plattform „FairWandeln“ Klimakonferenzen und Vernetzungstreffen
zwischen Pfarren und Zivilgesellschaft. Da kommen wir „vom Reden ins Tun“ und fördern Projekte, die die ökologische und soziale Frage verbinden.
Welche Auswirkungen haben diese Reformen, speziell auch im Blick auf die KA? Wo siehst Du das Engagement der Laien gestärkt und die Möglichkeiten ihres Mitgestaltens ausgeweitet? Wo siehst Du Nachbesserungsbedarf und offene Fragen?
Reinhard Bödenauer: Es gibt viele Bildungsangebote zum Thema Nachhaltigkeit und auch immer mehr Unterstützung von Bauamt und Wirtschaftsstelle. Als KA sehen wir unseren Schwerpunkt darin, Menschen zu bestärken, gesellschaftspolitisch aktiv zu werden. Hier unterstützen wir in Wien z.B. die „Lobau bleibt“-Bewegung oder rund um Wiener Neustadt Initiativen, die sich für Bodenschutz einsetzen (wie z.B. „Vernunft statt Ostumfahrung“). Das ist eine große Herausforderung: Was heißt Schöpfungsverantwortung konkret vor Ort? Da gibt es natürlich verschiedenste Interessenskonflikte und auch Konflikte mit der Politik. Da müssen wir als engagierte Christinnen und Christen aber Haltung zeigen und einen klaren Standpunkt einnehmen.
Was ist Dir aus den Erfahrungen bisher und im Blick auf künftige innerkirchliche Reformen besonders wichtig?
Reinhard Bödenauer: Natürlich hat mich die Austrittswelle im ersten Moment geschockt. Aber warum soll ein junger Mensch oder eine Frau in dieser klerikalen und patriarchalen Kirche bleiben? Es braucht eine Erneuerung, ohne dass sich die Kirche zu viel mit sich selber beschäftigt. Bei dem Öffnen nach außen, dem an die Ränder gehen – einer Seelsorge des Hingehens und des Hinsehens - geht die KA den richtigen Weg. Die KA begleitet gerne Menschen, die Verantwortung übernehmen, sich aber nicht bevormunden lassen wollen.
Papst Franziskus hat den weltweiten „Synodalen Prozess“ ausgerufen. Was bedeutet er für Deine Diözese und die KA in Deiner Diözese?
Reinhard Bödenauer: Papst Franziskus spricht hier sogar vom „Übel des Klerikalismus“. Das finde ich eine starke Ansage. Es stimmt, wir müssen die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement, vor allem für ehrenamtliches Leitungsengagement in der Kirche verbessern. Als KA haben wir da einen großen Erfahrungsschatz und den bringen wir in diözesane Arbeitsgruppen ein, die das
Miteinander von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen verbessern helfen. Dazu haben wir im vergangenen Jahr das Ehrenamtsmanifest erarbeitet.
Der Katholischen Aktion ist die Mitgestaltung von Politik und Gesellschaft stets ein hohes Anliegen. Ihre aktuellen Wegmarken und Orientierungspunkte dazu hat sie in fünf Dossiers zum „Synodalen Prozess“ dargelegt. Im Blick auf die gesellschaftliche Lage insgesamt, speziell aber auch in Deiner Diözese bzw. Deinem Bundesland: Auf welche drei politischen Anliegen legst Du als KA-Vorsitzender ein besonderes Augenmerk?
Reinhard Bödenauer: Wir leben in einer Zeit von multiplen Krisen und erleben die Politik als sehr zögerlich. Wir versuchen mit unseren Ressourcen neben der Klimafrage zu anderen Themen unseren Beitrag zu leisten
Beim Thema Asyl und Integration unterstützen wir als KA die gesellschaftspolitischen Aktionen vom Pfarrnetzwerk Asyl und fördern arbeitsuchende Jugendliche durch unser Mentoring-Projekt „Hands On“. Hier sind auch die integrativen Angebote der Diözesansportgemeinschaft zu nennen. Mit dieser Unterstützung stehen wir bewusst konträr zur Flüchtlings- und Asylpolitik in Österreich, besonders zu der in Niederösterreich.
Sorge-Arbeit: Gepflegt, geputzt, versorgt und erzogen wurde schon immer, vor allem von Frauen. Meist nicht sichtbar und kaum wertgeschätzt. kfb und KAB haben hier Forderungen, die sie mit der Allianz „Fair-Sorgen“ in die politische Debatte einbringen. Die kfb hat dazu auch einen Stadtspaziergang durch den 1. Wiener Bezirk entwickelt. Er heißt „Sorge Arbeit sichtbar machen“ und ist sehr gefragt.
Mit unseren „politischen Nachtgebeten“ und unseren „politischen“ Newslettern wollen wir auf besonders heikle politische und gesellschaftliche Themen aufmerksam machen und sie aus unserer Spiritualität heraus beleuchten.
Das Bekenntnis zu Demokratie, Solidarität und gleicher Würde aller Menschen ist verschiedenenorts ins Wanken geraten. Wie kann eine Katholische Aktion dazu beitragen, diese Werte zu stärken?
Reinhard Bödenauer: Die Demokratie ist ein sehr hohes Gut. Die Katholische Aktion trägt mit den vielen Jungschar- und Jugendgruppen dazu bei, dass Kinder und Jugendliche in und außerhalb der Pfarren ein höheres Verständnis zum Thema Demokratie bekommen. Wir als KA melden uns in ernsten Situationen – vehement, aber nicht untergriffig – mit allen Möglichkeiten zu Wort und unterstützen Menschen und Gruppen dabei, die Demokratie zu schützen. Wir sind solidarisch mit Gruppierungen, die für die Bewahrung der Schöpfung und des Friedens und für mehr Gerechtigkeit kämpfen.
Was ich noch sagen wollte …
Reinhard Bödenauer: Warum fällt uns die Nachfolge Christi so schwer? Christus ist auf die Menschen zugegangen, besonders zu den Menschen hin, die nicht die angesehensten in der Gesellschaft waren. Ich habe persönlich den Aufbruch der jungen Christinnen und Christen in Österreich beim Katholikentag 1983 „Hoffnung leben – Hoffnung geben“ und beim ersten Weltjugendtag 1984 „Aperiti portas redemptori“ (Öffnet die Türen dem Erlöser) erlebt. So sehe ich auch die KA und meine Aufgabe: Statt versperrte Kirchen – offene Tore, gelebte christliche Soziallehre und bedingungslosen Einsatz für alle, die Unterstützung benötigen.
Das Gespräch mit dem (Vize-)Präsident:innen-Team der KA Wien war Teil einer Interview-Reihe der KAÖ mit diözesanen KA-Verantwortlichen zum Medienschwerpunkt 2023 „Pfingsten macht neu!“.