Zwischen Gewissen, Recht und Verantwortung
„Ist Demokratie das, was ich will?“: Unter diesem Motto stand die 32. Weinviertelakademie, die am 4. März 2021 coronabedingt online stattgefunden hat. Die Katholische Aktion des Weinviertels und ihre Gliederungen, die Bildungsakademie Weinviertel und das Katholische Bildungswerk hatten dazu mit der Zeitschrift „Der Sonntag“ eingeladen.
Verantwortungsbewusstsein kultivieren
Ludwig Adamovich, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofes, und ehrenamtlicher Berater des Bundespräsidenten, skizzierte in seinem Vortrag die Lage der Demokratie in Österreich in jüngster Zeit inklusive Corona. Angesichts der Corona-Maßnahmen der Regierung mahnte Adamovich ein, zwischen Menschen- und Grundrechten genauer zu unterscheiden. Eingriffe in die Grundrechte müssten gut begründet werden. Es brauche generell „eine Klarheit der Begriffe“. Die Grundrechte basierten auf der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Bürgerinnen und Bürger müssten auch „das Verantwortungsbewusstsein kultivieren“. Adamovich sieht in diesem Zusammenhang Österreich nicht auf dem Weg hin zu einer autoritären Regierung. „Das Parlament hat seine Kompetenz, es gibt den Verfassungsgerichtshof“, unterstrich der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs.
Bei diversen Demonstrationen geäußerte Slogans wie „Wir sind das Volk“ seien „brandgefährlich“. Damit begebe man sich auf den „besten Weg in die Anarchie“. Nötig seien ein „höheres Bildungsniveau“ hinsichtlich des Politikverständnisses, und es sei nötig, „ein bisserl Zeitgeschichte zu studieren“ und über „Recht und Rechtsordnung“ nachzudenken. Adamovich: „Jeder sollte sich über die Beziehung zwischen Recht, Verantwortungsbewusstsein und Gewissen Gedanken machen.“
Adamovich nannte auch den „wichtigen Begriff des Gemeinwohls“. Ethisch bedenkenswert ist für ihn die Formel: „Wie viel Egoismus ist erlaubt? Wo sind die Grenzen?“ Der Verfassungsgerichtshof nehme „Minderheiten in Schutz“. Auch brauche es einen „vernünftigen Ausbau der direkten Demokratie“. Hinsichtlich der Frage nach dem Religions- und Ethikunterricht betonte Adamovich, dass es „eine rationale Ethik ohne Axiome nicht gibt“. Man müsse erklären., woher man seine Grundlagen beziehe. Für Adamovich ist schon das Gewissen „ein Gottesbeweis“.
Weihbischof Turnovszky: Schutz der Minderheiten
Weihbischof Stephan Turnovszky, Bischofsvikar für das Nord-Vikariat, erinnerte dass er „als überzeugter Christ kein Problem hat, in einer Demokratie zu leben“. Zwei Fragen monierte Turnovszky in diesem Zusammenhang: Wer schützt Minderheiten vor der Willkür der Mehrheit? Und: Wie orientieren sich die politisch Verantwortlichen im Blick auf den Zusammenhang von Gewissen und Machtausübung? Hinsichtlich der Minderheiten erhebe die Kirche ihre Stimme, gerade auch für „Menschen unter dem Wahlalter“. Turnovszky verwies auf „demokratische Elemente“ in der Kirche, etwa die Wahl der Vorgesetzten bei den Ordensgemeinschaften, die Papst-Wahl wie auch die Pfarrgemeinderats-Wahlen. Der Bischofsvikar plädierte für einen „Religionsunterricht mit ethischen Inhalten“. Denn diese Ethik basiere auf Überzeugungen. „Der Religionsunterricht deklariert seine eigenen Vorverständnisse“, diese vermisst Turnovszky beim Ethikunterricht. Für Turnovszky ist das Gewissen „ein Gotteshinweis“.
Der Vorsitzende der Katholischen Aktion des Weinviertels Johann Schachenhuber und der Direktor der Bildungsakademie Weinviertel Franz Knittelfelder freuten sich, an die 50 Besucher*innen begrüßen zu können, darunter Weihbischof Stephan Turnovszky, den Präsidenten der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien, Walter Rijs, KA-Generalsekretär Christoph Watz und mehrere Vertreter*innen des Vikariatsrates. Die Moderatorin des Abends Dr.in Marion Wisinger hatte ausgehend von dem kürzlich von Ludwig Adamovich erschienenen Buch „Wo wir stehen“ diesen eingeladen, das Thema des Abends näher zu beleuchten. Der zweite Teil der Weinviertel-Akademie wird am 6. Mai im Festsaal des Schlosses Großrußbach stattfinden, so es coronabedingt möglich ist.
Stefan Kronthaler, Franz Vock