Internationales Velehrad, mährische Bernsteinstraße und blaue Keller
Zu einer geschichtsträchtigen Zeitreise in den Wandlungsprozess von Kirche und Gesellschaft wurde der begehrte KAV-Herbstausflug über die Grenze für 50 ÖsterreicherInnen am 17. Oktober 2015 zum Kloster Velehrad, dem ältesten Zisterzienserkloster in Mähren, Ort internationaler Begegnungen zwischen Ost und Westkirche und nationalen Wallfahrtsort In der Tschechischen Republik.
Von Kyrill und Method zum internationalen Tagungsort
Nach dem Wiener Rathaus und der Votivkirche in prächtigem Morgenrot konnten die TeilnehmerInnen des voll besetztes Autobusses die Schönheit der hügligen Landschaft des Weinviertels genießen, während der durch seine Mutter mit mährischen Wurzeln versehene Wiener Studentenseelsorger Hans Kouba die Eigenarten der Landschaft und der Menschen literarisch zur Sprache brachte – mit Alfred Komarek bis Eva Rossmann. Die verschiedenen Routen der Bernsteinstraße, das unsagbare Leid auf dem Brünner Todesmarsch im Mai 1945, wo nun nach 70 Jahren erste Schritte einer tschechischen Aufarbeitung in Gang gekommen sind, waren genauso ein Thema wie die Ähnlichkeiten des Weinviertels mit der im Wandel befindlichen Hannah-Landschaft in der mährischen Slowakei mit seinem Wein-, Obst und Gemüsebau und den prächtigen Schlössern und Landschaftsparks von Mikulov bis Velehrad.
Durch die barocke Basilika minor in Velehrad, die ursprünglich eine romanisch-gotische Klosterkirche war, führte uns die junge Jus Studentin Anezka Jelinková aus Olomouc/Olmütz und der dort tätige Jesuitenpater Ing Václav Dlapka. Die Slawenapostel Kyrill und Method hatten einst im 9. Jahrhundert die Basis dafür gelegt, wo im 13. Jahrhundert der bedeutende Klosterkomplex und die Maria Himmelfahrt-Kirche gebaut wurden. Durch Kaiser Josef II. wurde daraus eine Pfarrkirche, ehe 1890 die Jesuiten die Seelsorge übernahmen. Während der Zeit des Eisernen Vorhangs war die Kirche erneut einer Pfarrkirche, wo die nationale Wallfahrt zu einer Manifestation gegen den Kommunismus wurde. 1985 stiftete Papst Johannes Paul II. der Basilika die Goldene Rose und im April 1990 besuchte er das Kloster als ersten Ort nach der Grenzöffnung.
1990 kehrten ins „mährische Betlehem“ die Jesuiten zurück und seit 2004 gibt es auch wieder ein Gymnasium mit 240 Schülern, das inzwischen die Diözese Olomouc übernommen hat. Heute ist Velehrad wie schon in der Vergangenheit ein internationaler Ort der Begegnung zwischen West- und Ostkirche oder von Tagungen über Christ sein und Arbeit von Europäischer Gewerkschaftsbewegung und Katholischen Verbänden wie KAB - siehe z.B. www.hkap.cz . Auch der bedeutende Theologe Tomas Kardinal Spidlik SJ (1919-2010) hat hier seine letzte Ruhestätte gefunden. Das neueste Projekt der sechs Jesuiten und des Fraters, die den beachtlichen Gebäudekomplex in das 21. Jahrhundert führen, ist die Adaptierung der Erscheinung des Herrn Kapelle für die BesucherInnen der Ostkirche.
Ursprüngliche Volksarchitektur, europäische Geschichte und ein erstaunter Winzer
Nach dem Mittagessen wehte uns im 7 km entfernten Schloss Buchlovice/Buchlowitz und seinem ausgedehnten Park, einem architektonischen Schmuckstück der Spätrenaissance nach Plänen von Domenico Martinelli, mit dem 1908 geschlossenen Abkommen von Buchlau Europäische Geschichte entgegen, was der Monarchie Bosnien-Herzegowina und Russland die freie Dardanellen-Durchfahrt bescherte. Hautnah erlebbar war auch, die Öffnung der geschichtsträchtigen Anlagen und der dort lebenden Menschen für BesucherInnen hat begonnen, aber noch einen langen Weg vor sich.
In einem gemütlichen Weinkeller in Petrov fand die Zeitreise in die vergangenen und gegenwärtigen Erfahrungen der Menschen zweier verschiedener Völker bei Brot, Käse, Grammelschmalz, Sturm und Wein ihren Nach- und Ausklang. Der nahe der slowakischen Grenze in der Weinregion Slovácko gelegene Ort wurde durch sein einzigartiges Ensemble von ursprünglichen blau bemalten Weinkellern – Plže – bekannt und zum Denkmalschutzgebiet der Volksarchitektur erklärt. Der Winzer freute sich und konnte den Besuch von 50 ÖsterreicherInnen trotz Anmeldung bis zuletzt nicht fassen. Petrov liegt am Baťa-Kanal und kann auch mit dem Schiff besucht werden (www.obec-petrov.cz).
Franz Vock