Über „die jüdischen Spuren der Ringstraßenpalais“
Großes Interesse löste die Mechaye Hametim Führung „Die jüdischen Spuren der Ringstraßenpalais“ am 5. November 2014 aus, die unter der Leitung des Architekten und Stadtplaners Franz Denk stand, einen lebendigen Einblick in das jüdische Leben im Wien des 19. Jahrhunderts vermittelte und vom Forum Zeit und Glaube/Katholischen Akademiker/innen Verband (KAV) angebotene wurde.
Von prächtigen Bauten bis zu Familientragödien, Enteignung und Vertreibung
Über 30 Personen waren trotz TeilnehmerInnenbegrenzung zu der Führung gekommen, um sich unter den späthistoristischen Prachtbauten entlang der Wiener Ringstraße – eine Errungenschaft der Habsburger – mit drei Palais näher zu befassen, die wir jüdischen Bauherrn verdanken. Vom Start im Otto Mauer Zentrum des KAV ging der Rundgang zum Palais Ephrussi am Universitätsring/ Ecke Schottengasse, führte zum Palais Lieben-Auspitz, in dem das bekannte Café Landtmann untergebracht ist, und endete im Palais Epstein, einem Nebengebäude des Parlaments.
Dabei bot Stadtplaner Denk nicht nur bauhistorische Einblicke, sondern ging auch auf die Architekten der Prunkbauten ein, die sich untereinander sehr gut kannten. Besonders befasste er sich dabei mit Theophil Hansen, einen der wichtigsten Architekten des Historismus, der einen großen Einfluss auf die Ringstrassenarchitektur hatte. Natürlich kam auch die Sozialgeschichte der damaligen Zeit zur Sprache mit den Prunkwohnungen im vorderen Teil der Palais und den bescheidenen Wohnungen hinten. Gleichzeitig wurden die interessierten BesucherInnen der drei Denkmäler der jüdischen Geschichte Wiens mit den jeweiligen Familientragödien, Enteignung und Vertreibung konfrontiert.
Das Palais Ephrussi
wurde 1872 von Theophil Hansen für den griechischen Bankier Ignaz Ritter von Ephrussi errichtet, nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 „arisiert“ und als Bürohaus genutzt (Dienststelle für Kultur- und Überwachungspolitik). Nach dem Krieg benützte es die amerikanische Besatzungsarmee. 1950 an die englische Rechtsanwältin Elisabeth de Waal, geb. Ephrussi (1899-1991), restituiert, wurde es von ihr „not“-verkauft. Von 1969 bis 2009 Firmensitz des Casinos Austria, ist es heute in Privatbesitz.
Das Palais Lieben–Auspitz
wurde 1873/74 von den Architekten Carl Schumann und Ludwig Tischler für 5 Geschwister im Stil des Historismuserrichtet. Die Familien Lieben und Auspitz waren mehrfach verschwägert; Ihnen entsprang eine große Anzahl von Wissenschaftlern, Künstlern, Geschäftsleuten und Politikern. Berta Zuckerkandl-Szeps veranstaltete in diesem Haus den berühmten literarischen Salon. 1931 ging das Bankhaus in Konkurs, es folgten Notverkäufe und Erbschaftslösungen. 1942 wurde Stefan Auspitz nach Theresienstadt deportiert, die Bibliothek und Teile der Gemäldesammlung enteignet. Nach dem 2. Weltkrieg gab es Bankansprüche an die Schweiz, die Löschung des Bankhauses erfolgte erst 1961. Heute im Privatbesitz.
Das Palais Epstein
wurde 1870 von Theophil Hansen für den aus Prag stammenden jüdischen Bankier Gustav Ritter von Epstein erbaut, 1877 – nach einem Konkurs – bereits wieder an eine Gasgesellschaft verkauft. Das Gebäude kam in Staatsbesitz und beherbergte den Verwaltungsgerichtshof. 1934-1945 wurde es Reichsbauamt, bis 1955 sowjetische Kommandantur, dann Stadtschulrat. Seit 1998 ist es eine Dependance des Parlaments, 2003 generalsaniert, beherbergt es nun dessen Demokratiewerksatt.
Viel Freude und Dankbarkeit herrschte am Ende es Gedenkrundgangs. Einer Frau sagte: „Es hat mir sehr gut gefallen, die Atmosphäre war sehr angenehm“. Und KAV Diözesansekretär Gottfried Cech war froh, dass man „Gebäude besuchen konnte die sonst nicht zugänglich sind“. Infolge der zahlreichen Anmeldungen werden „Die jüdischen Spuren der Ringstraßenpalais“ am 12. Dezember erneut besucht.
Franz Vock