Mein Moment der Politisierung
Jungschar ist für mich ein Ort, an dem eigenständiges, kritisches Denken Zeit und Raum findet, an dem man – im Kleinen und im Großen – erfahren kann, wie das eigene Tun die Gemeinschaft, in der man sich bewegt, prägt und verändern kann. Dieses Verständnis von aktivem Mitgestalten ist ein wichtiger Bestandteil einer demokratischen, offenen Gesellschaft. Es ist dieser zentrale Gedanke, der Jungschar für mich politisch macht: Wir gestalten unsere Gemeinschaft aktiv und wollen auch den Kindern und Jugendlichen näherbringen, dass jeder Mensch Handlungsmacht hat und diese nutzen kann, kritische Fragen stellen soll und vorhandene Strukturen, Wertmaßstäbe und Gesellschaftsentwürfe verändert werden können.
Te Millesi
Jungschar ist für mich aus verschiedenen Gründen politisch. Zum einen habe ich als junge Gruppenleiterin in der Jungschar einen Platz gefunden, wo ich Dinge ausprobieren und gestalten konnte und wo ich Verantwortung übernehmen durfte. Diese Erfahrungen sind meiner Meinung nach ein wichtiger Bestandteil für junge Menschen, um Partizipation zu lernen und Voraussetzungen, um selbst politisch aktiv werden zu können.
Außerdem ist die Jungschar für mich eine Lobby für Kinder. In den Pfarren setzen wir uns dafür ein, dass Kinder gesehen und gehört werden und einen kindgerechten Platz finden. Auf diözesaner Ebene macht die Jungschar unter anderem auf Kinderrechte aufmerksam und setzt sich für Chancengleichheit für Kinder weltweit ein. Das alles und mehr sind Momente der Politisierung in der Jungschar für mich.
Mirjam Gerstbach
Ein zentraler Moment am Anfang meiner Gruppenleiterinnenzeit war für mich besonders prägend. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 war es bald klar, dass es wahrscheinlich einen Krieg ausgehend von den USA gegen den Irak geben werde. Uns Gruppenleiter/innen war es wichtig, in der Jungschar den Kindern bereits mitzugeben, dass Krieg keine Lösung ist und wir uns für den Frieden einsetzen wollen. Zum Thema Frieden haben wir dann Gruppenstunden gemacht, als Gruppenleiter/innen haben wir für den Frieden demonstriert und auch in den Jungscharmessen in diesem Jahr immer wieder auf diese brennende Thematik aufmerksam gemacht. Leider kam der Krieg und all seine schrecklichen Folgen doch, aber ich habe gelernt, wie wichtig es ist, sich für andere einzusetzen und Sensibilität für solch wichtige Themen zu schaffen.
Kathi Bereis
Wenn ich an meinen Moment der Politisierung in der Jungschar denke, denke ich an eine spezielle Gruppenstunde. Ich war ca. 7 Jahre alt und wir haben uns in der Gruppenstunde mit dem Bilderbuch „Das himmelblaue T-Shirt“ auseinandergesetzt. In dem Buch geht es um die Herstellung eines T- Shirts und welchen Weg dieses schließlich hinter sich hat.
Ich kann mich erinnern, dass wir auch über Fairtrade gesprochen haben. Mir war das Thema dann so wichtig, dass ich all meinen Schulkolleg/innen davon erzählt habe und ihnen gesagt habe, dass wir viel mehr darauf achten müssen, was wir kaufen.
Celina Grafl
Als Jungscharkind und später als Gruppenleiterin haben wir jedes Jahr im Oktober beim Weltmissionssonntag mitgemacht und fair gehandelte Schokoriegel, getrocknete Früchte, Gummibären und Schokopralinen verkauft. Erst Jahre später ist mir bewusst geworden, wie politisch aktiv wir dabei waren. Damals gab es kaum Fair Trade Produkte in Supermärkten und wir mussten Passant/innen oft erklären, was Fair Trade bedeutet und warum es besser ist, fair gehandelte Lebensmittel zu kaufen.
Valentina Steigerwald
Egal ob am Lagerfeuer, in Gruppenstunden oder bei spätnächtlichen Leiter/innenbesprechungen: Schon oft habe ich in der Jungschar (politische) Diskussionen erlebt, die in diesem gewissermaßen geschützten Rahmen Raum für unterschiedliche Meinungen und Haltungen bieten.
Dieser politische Funke wird auch danach noch von uns mitgetragen und hilft uns - sowohl Kindern als auch Leiter/innen - gegenüber anderen für unsere Überzeugungen und die Anliegen unserer Jungschargruppe einzutreten.
Wenn's hart auf hart kommt, schöpfen wir daraus die Standhaftigkeit, nicht klein beizugeben, sondern mit Selbstbewusstsein unseren Standpunkt zu vertreten.
Martin Baumgartner
In der Jungschar habe ich gelernt und geübt, gemeinsam Entscheidungen zu treffen: Mit meinen Gruppenkindern, in der Gruppenleiter/innen-Runde, in DL-Sitzungen, auf der Wiener Jungschar-Vollversammlung und am Bundesleitungskreis. Entscheidungen, bei denen jede/r eine Stimme hat, wo alle sich gehört fühlen können und wo ganz ehrlich nach einer guten Lösung für alle gesucht wird.
Vor allem aber habe ich gelernt, dass all diese Diskussionen (teilweise bis tief in die Nacht), die Meinungsverschiedenheiten, das Haare-Raufen und dabei gemeinsam Lachen, das Um-eine-Lösung-Ringen - dass all das zutiefst politische Prozesse sind: das gemeinsame Gestalten von gemeinsamen Fragen und Entscheidungen treffen, die alle etwas angehen.
Diese Politisierung brauchen unsere Welt und unsere Kirche, dieses Politisch-Werden brauchen Kinder, um sich zu trauen, ihre Zukunft mitzugestalten. Und wir alle sollten uns trauen, das immer noch ehrlicher, klarer und ernsthafter zu üben!
Nani Gottschamel
Diese Artikel erschien erstmals im kumquat "Jetzt wird´s politisch!" - 1/2019
Wenn du dich in der Kirche politisch engagieren willst, findest du alle Infos auf der Schwerpuntkseite "Junge KA"...