Gemeinsamer christlich-muslimischer Aufruf gegen Gewalt an Frauen
Wien, 7.10.2014
Wir erleben derzeit einen Ausbruch von Gewalt in vielen Regionen dieser Erde, den wir bis vor kurzem nicht für möglich gehalten hätten. Frauen sind, wie immer wenn Menschenrechte und Humanität dem Krieg geopfert werden, am härtesten betroffen. Sie müssen als Flüchtlinge für das Überleben ihrer Kinder unter den widrigsten Bedingungen sorgen und sind schutzlos sexueller Gewalt ausgeliefert. Derzeit wird die Gewaltspirale gegen Frauen von den Soldaten des IS noch weiter gedreht. Entführte junge Frauen und Mädchen werden als Haushalts- und Sexsklavinnen verkauft, in andere Länder verschleppt und ermordet. Es ist höchste Zeit, das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf die Leiden der Frauen in den derzeitigen Konfliktregionen in Syrien, Irak und vielen afrikanischen Ländern zu richten.
Die derzeitige Explosion von Gewalt kommt für uns unvermittelt und macht uns tief betroffen.
IS und andere Terrororganisationen instrumentalisieren die Religion und tragen zur Verstärkung von Islamophobie bei. Muslime geraten in Generalverdacht. Und genau das ist es, was die Terrororganisationen vereint. Sie möchten auch in Europa Hass und Unfrieden schüren. Das dürfen wir nicht zulassen. Hier kommt auch der medialen Berichterstattung eine verantwortungsvolle Rolle zu. Sie muss stärker differenzieren, denn Muslime können nicht pauschal als Extremisten abgestempelt werden. Diese Terrororganisationen töten Muslime und Nicht-Muslime - alle, die ihrer Ideologie widersprechen.
Eine der Ursachen für den Zulauf, den die Anführer verbrecherischer Organisationen wie IS haben, könnte in der Perspektivenlosigkeit vieler junger Männer in ihren Heimatländern und in der Migration liegen. Die Schere zwischen Armen und Reichen geht überall auf der Welt auf und schafft Generationen von aggressiven und gewaltbereiten Ausgegrenzten, die im Kampf gegen die Herrschenden ihre einzige Hoffnung sehen. Diesen Gewaltexzessen kann nur der Boden entzogen werden, wenn wir hier bei uns anders mit Menschen umgehen, die bei uns Lebenschancen suchen und wenn wir bereit sind zu teilen.
Die Millionen Flüchtlinge aus den Krisenregionen stellen unsere Gesellschaft vor eine große Herausforderung und unsere Humanität auf den Prüfstand. Der menschenwürdige Umgang mit Fremden und Ausgegrenzten als Zentrum unseres Glaubens, vereint uns Christinnen und Musliminnen. Das verlangt von uns konkrete Taten. Die Menschen, die aus den Krisenregionen dieser Erde zu uns fliehen, brauchen unsere Unterstützung. Dabei geht es v.a. darum, eine Veränderung in den Köpfen und Herzen der Menschen in unserem Umfeld zu bewirken. Wir sind dringend angefragt, wenn es darum geht, die Einstellung in unseren Freundeskreisen und Gemeinschaften zu beeinflussen und so räumlich und gedanklich Platz für bedrohte und vertriebene Menschen zu schaffen.
Wir Frauen sind gefordert, wenn wir verhindern wollen, dass der Funke der Gewalt noch weiter überspringt und die derzeitigen Exzesse eingedämmt werden. Knüpfen wir gemeinsam an die solidarische Tradition in unseren Gemeinschaften an und machen wir uns für jene Frauen, Männer und Kinder stark, die unserer Fürsorge am meisten bedürfen, damit die ablehnende Einstellung Fremden gegenüber in eine positive Haltung gewandelt werden kann und der Einsatz für Frieden und Gewaltlosigkeit Macht gewinnt.
Jeder Mensch muss den Auftrag des Friedenstiftens übernehmen. Jetzt ist die Zeit, gemeinsam gegen Extremismus und Terror ein Zeichen zu setzen. In diesem Sinne schließen wir uns dem zivilgesellschaftlichen Aufruf an, folgende Petition zu unterzeichnen: http://www.mehrbesonnenheit.at/
Traude Novy
Für die Diözesanleitung der Katholischen Frauenbewegung Wien
Zeynep Elibol
Vorstand Verein Plattform Muslime und Christen, Leiterin der Islamischen Fachschule für Soziale Bildung der IGGiÖ
Barbara Heyse-Schaefer
Direktorin der Evangelischen Frauenarbeit in Österreich,
Präsidentin Europäisches Projekt für Interreligiöses Lernen
Sabine Kandel
Verein „Forum Muslimische Frauen Österreich“