Kraftquelle Frauen
Leisem Leben beistehen – das eigene Geschlecht segnen
Wir sind „zu oft zu erwachsen – kontrolliert, berechnend, geplant, verkopft, vorsorgend … und vergessen, dem inneren Kind in uns Auslauf, Freiheit, Räume des Lachens und Spielens, des selbstvergessen Seins zu eröffnen“, sagte Holztrattner. Als „Stricke, die uns schnüren, fesseln, an der freien Entfaltung hindern“, nannte sie den Gender-pay gap mit seiner wirtschaftlichen Ungerechtigkeit gegenüber Frauen, dass sexuelle Gewalt in der Ehe als Straftat erst seit ab Mitte der 1990er Jahre gesellschaftlich geahndet werden konnte, Strukturen, die Frauen systematisch aus dem politischen Engagement z. B. auf Gemeindeebene fernhalten, „Frauen auch in der Kirche nicht gleichwürdig als Töchter anerkannt werden“ und „in der derzeit herrschenden Philosophie in Wirtschaft und Politik eine männliche Energie vorherrscht, die – egal ob von Männern oder von Frauen eingesetzt – dem Schwachen, dem Leisen, dem Zarten und dem Verletzlichen wenig Chance gibt. … Weibliche Energie, die eher sorgend, zart, mitfühlend, offen für Dimensionen jenseits von Bilanzen, Dividenden und Statistiken bleibt und die auch dem leisen Leben im Wachstum beisteht, diese Energien werden heute offiziell niedergetrampelt, zuasphaltiert, vom schnellen, lauten Leben überrollt wie ein Gänseblümchen von den Breitreifen eines SUV“, so Holztrattner.
(v.l.n.r.: Martina Greiner-Lebenbauer, Magdalena Holztrattner, Christine Saliger , Franziska Berdich)
Da Frauenleben „grundsätzlich ein zyklisches Leben in einem weiblichen Körper“ ist, was sich in einem Monatliche Rhythmus spiegle, erleben wir 4 Phasen des Lebens, sagte Holztrattner:
„Die frühlingshafte, jungfräuliche Zeit des Wachens, der wilden Energie, wo vieles ausprobiert wird“, wo „Gottes unbändiger Wille zum Leben in dieser Phase strahlend werden“ kann.
„Die sommerliche, mütterliche Zeit des Nährens, des Bergens, des sich für andere Verausgabens, die warme Energie, wo gesät und gepflanzt wird, wo Ausbildungen gemacht und Familien gegründet werden, … wo Kinder geboren, genährt und erzogen werden, wo vieles zur Frucht kommt. … Gottes Schöpferkraft kann in dieser Phase gelebt werden, … wenn auch wir Frauen liebend Leben schenken“.
„Die herbstliche, weise Zeit ist die Phase, in der gesammelt wird, was wert ist aufzuheben, in der ausgeschiedenen, unterschieden, abgetrennt und losgelassen wird. Es ist die Zeit der reifen Frau, in der mit Kreativität jenes gestärkt wird, was wirklich wichtig ist, … Wo im Lebenszyklus die Frage nach dem Sinn des Lebens neu beantwortet werden möchte …, wo Dinge in einem größeren Horizont gesehen werden können, in der auch heilende, versöhnende Kräfte bewusster gespürt werden. Gottes Wirken in den leisen Zeichen, Gottsuche kann in dieser Zeit in mystischen Farben gelingen“.
„Die winterliche, zurückgezogene Zeit ist die Phase des Rückzugs, der Verinnerlichung, der Ruhe. … Was nicht gebraucht wurde, wird aus der Gebärmutter gespült, das Blut reinigt den Körper und die Seele ... , wo vieles abgegeben wird, Früchte des Erfolgs, des Einsatzes für andere reif geworden sind, … das Erwerbsleben reduziert wurde. … Gottes wärmende Nähe in ihrer Schöpfung wird in dieser Phase wichtiger, wo altes Gewebe des Lebens, des Körpers, übergeben wird in Gottes zärtliche Mutterhand“.
Sich eines „zyklischen Lebens in einem weiblichen Körper … bewusst zu sein fördert deutlich, als Frau bewusst zu leben, aus der Kraft der Gebärmutter zu wirken und jeden Morgen das eigene Geschlecht zu segnen“, sagte Holztrattner, die auf den gleichen hebräischen Wortstamm Wärme / cham bei Gebärmutter / rechem (Sg) und Barmherzigkeit / rachamim (Pl) verwies.
Von Selbstentfremdung und frei werden
Frauenleben sei aber „auch sexuelles Leben – nicht nur in der intimen Begegnung als Paar, sondern auch in Freundschaften und im Leben mit allen Fasern des Körpers: der Eros des Seins gelebter Liebe; … - auch wenn das heißt, die Watte der alltäglichen Bequemlichkeit abzulegen und sich auszusetzen … Wir sind ein Tempel von Gottes Geist „(Paulus, 1 Kor 3,16), bekräftigte Holztrattner. Da die Gnade die Natur voraus-setze, wir „ohne unsere Körperlichkeit Gott nicht erfahren, erleben, erspüren, lieben“ können, habe uns Gottes „Schöpferkraft ins Leben geliebt – als Männer und Frauen … So gesehen ist unser Frauenkörper ein Ort des Gottes-Dienstes. Ein Tempel Gottes. Den Gott sah und sie sah, dass es gut ist“ (Gen 2).
Zur eigenen Selbstentfremdung sagte Holztrattner: „Manche Menschen stehen so unter Druck, dass sie die Signale des Körpers missachten und verlernen, darauf zu hören. Sie arbeiten bis zur Erschöpfung oder verausgaben sich bis zum Umfallen“. Auch führe der „gesellschaftliche Zugriff auf Frauenkörper heute oft zu einer gestörten Beziehung von Frauen zu ihrem Körper, zu sich selbst“. Daher sei „darauf zu schauen, was uns stärkt, wo wir den Scheffel über unserem Licht abnehmen, damit wir wie die Stadt auf dem Berg leuchten und in der Freiheit der Kinder, der Töchter Gottes groß sind, strahlend sind, lachen, leben und lieben. Denn wir sind geboren, um die Größe Gottes, die in uns lebt, zu verwirklichen. Damit auch andere durch unser Dasein frei werden“, betonte Holztrattner.
Mirjam von Magdala ist ihrer inneren Stimme gefolgt
Um als Tochter Gottes in der eigenen Kraft zu leben, sei es wichtig, „sich selbst als Frau in der je eigenen Körperlichkeit anzunehmen“, denn das Bild von mir, unser Menschen- und Gottesbild sei „entscheidend dafür, ob ich stark, frei, groß und leuchtend leben kann wie a Kind“, so Holztrattner.
Gott solle daher „erste Quelle meiner Lebendigkeit, meines Lebens, meines Liebens und Frauseins“ sein, „letzter Grund, wenn ma tiaf foit und an Bodn verliert“, ein „barmherziger Vater, der uns aufnimmt, wenn wir Blödsinn gemacht haben“, … eine „zärtliche Mutter, die uns an ihrer Brust hält und wärmt und schützt, wenn wir uns klein, verlassen und bedroht fühlen“ und „bedingungslose Liebe, auf die wir als Töchter Gottes vertrauen können und die uns stark macht, besonders dann, wenn wir uns selbst klein machen und abwerten“, führte Holztrattner aus.
„Um die Größe Gottes, die in uns lebt, zu verwirklichen bedarf es der Aufmerksamkeit dafür, was mich leben lässt, was mich als Frau wachsen lässt, worin meine eigenen Kraftquellen liegen. Es bedarf auch des Bewusstseins … die schlechten Einflüsse in mir oder auch außerhalb von mir einzudämmen“, so Holztrattner. Dies bedeute: „Eher Kontakt pflegen zu Menschen, die mir gut tun als zu Menschen, die mir Energie rauben und die ewig grantig und unzufrieden sind. Nachspüren, welche Strukturen – Arbeit, Nachbarschaften, Wohnsituation, … die eigene Kraft verzehren und keine neue Kraft schenken. Und dabei schauen, was verändert werden kann. Bewusst entscheiden, wann ich welche Nachrichten und Informationen in meinem Kopf lasse - … wie ich mich ernähre. Auch … die Ernährung so zu gestalten, dass mit dem Körper auch die Seele gute Nahrung und Lebens-mittel aufnehmen kann. Gemeinschaften, Gruppen und Vereine so wählen, wie sie das Leuchten in mir stärken, zum Strahlen bringen, wie oft dort gelacht wird, wie tief Gespräch dort sein können, welche Werte für die Gesellschaft wie für mich als Frau dort gepflegt werden. Mal 1 Woche scharf darauf achten, welche Gedanken, Stimmen und Bilder mich in meinem Kopf prägen und mein Herz füllen. Wie oft freue ich mich über mich“, fragte Holztrattner.
„Als Frau leben – in der eigenen Kraft leben – sich selbst und die Quellen der eigenen Kraft kennen lernen – dabei sind Frauengruppen, Gespräche mit Freundinnen oder älteren, weisen Frauen stärkend. Mich mit Frauen, mit Menschen zu umgeben, die selbst leuchten, hilft mir, im eigenen Leuchten stärker zu werden“, betonte Holztrattner. Ein Vorbild, einer starken, weisen leuchtenden Frau, die eine Spur legen, wie Frauenleben gelingen kann“ sei Mirjam von Magdala, die „ihrer inneren Stimme gefolgt ist um – gegen die Konventionen – diesen Jesus von Nazareth zu begleiten. … Sie ist ihrer Liebe gefolgt, als sie – mitten im Leid, den Geliebten zu verlieren – diesen Jesus von Nazareth am Kreuz nahe war. … Sie ist ihrer Trauer gefolgt, als sie – unter Lebensgefahr – dem Leichnam die letzte Ehre erweisen wollte und zum Grab gegangen ist. Vielleicht ist erst dadurch Ostern möglich geworden, weil sie – als Apostelin der Apostel – die Botschaft von der den Tod überwindenden Liebe Gottes verkündet hat“, gab Holztrattner zu bedenken. Sie schloss: „Frauen stehen in ihrer Kraft, wenn sie so sind, wie sie sind: geliebte Töchter Gottes, die will, dass sie groß, stark und leuchtend sind; frei und lebendig wie ein Kind, das andere dadurch zum Leuchten bringt“.
Anschließend gab es „große Begeisterung“: „Sehr befruchtend“, „uns ist vieles genommen worden“, „meine Generation hat ein so ungelebtes Leben gehabt“, „ich kann stilles Leuchten weiter geben“, „es braucht gemeinschaftliches Denken“, „wir müssen andere Frauen mittragen, stützen“, waren nur einige der energiegeladenen Beiträge, bevor das Gehörte in Workshops weiter vertieft wurde.
Franz Vock