Hinterfragbares Mutterbild
Frau Kelle spricht im Interview davon, dass sie das Buch u.a. deshalb geschrieben hat, um ihre Wut über die Ungerechtigkeit im Blick auf die Altersarmut von Frauen, die ausschließlich Familienarbeit geleistet haben, zur Sprache zu bringen. Die Katholische Frauenbewegung teilt dies Wut und ist daher auch in der Plattform „Altersarmut“ Mitglied und Unterstützerin.
Ebenso tritt die Katholische Frauenbewegung dafür ein, dass all die Arbeit von Frauen und Männern im Bereich der Pflege und Erziehung entsprechende gesellschaftliche und politische Anerkennung und Wertschätzung und damit einhergehend auch eine gerechte Belohnung erfährt!
Den Weg zur Gerechtigkeit sehen wir jedoch nicht in dem von ihr beschriebenen Weg des besser bezahlten „Muttertiers“ – diese Bezeichnung lehnen wir ab, reduziert sie pädagogisches Arbeiten von Eltern und Bezugspersonen auf Instinkte und Triebe. Das große Übel ist die fehlende Unterstützung der Familien durch Gesellschaft, Politik und Wirtschaft: sei es etwa durch angemessene finanzielle Unterstützung, aber auch durch die Möglichkeit zu Vätermonat und Väterkarenz sowie eine Erhöhung der Pflege“urlaubstage“ für kranke Kindern unter 14 Jahren oder die Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitszeiten für Eltern mit kleinen Kindern.
Unsere Gesellschaft braucht Frauen, die Ausbildungen machen und diese auch beruflich ausüben und so die Gesellschaft mitgestalten. Es braucht daher eine Politik, die es Müttern und Vätern gleichermaßen ermöglicht, Familien- und Berufsarbeit unter „einen Hut“ zu bringen. Die kfb setzt sich daher auch aktiv für eine gerechte Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit ein!
Das Bild, das Frau Kelle vom Muttersein und der Mutterschaft insgesamt zeichnet, soll auch nicht unhinterfragt stehen bleiben. Es ist mit den Ergebnissen der Bindungsforschung und der Entwicklungspsychologie nur bis zu einem gewissen Grad in Einklang zu bringen. Selbstverständlich sind Mütter wichtig im Leben von Kindern, aber für das Kindeswohl sind zu gleichem Maßen auch die Väter und alle weiteren stabilen Bezugspersonen wie Oma/Opa, Tante/Onkel usw. wichtig!
Weiters ist das Kindeswohl nicht durch die ständig anwesende Mutter gegeben, sondern ausschlaggebend ist die Qualität und Stabilität der Beziehung. Es gibt gewalttätige und ihre eigenen Kinder traumatisierende Mütter und Väter, und leider nicht so wenig. Daher ist das große Übel der heutigen Zeit nicht die Berufstätigkeit der Mütter. Mütter waren zu allen Zeiten berufstätig und damit nicht per se schlechtere Mütter für ihre Kinder.
Äußerst weltfremd wirkt Frau Kelles Vorschlag, dass wir mehr Kinder bekommen müssen, um zukünftig mehr PensionseinzahlerInnen und somit ein gesichertes Pensionssystem zu haben. Diese Herausforderung kann und muss – gerade angesichts der aktuellen Enthüllungen von Steueroasen vieler Unternehmen und Einzelpersonen – anders gelöst werden!
Der wirtschaftliche Trend geht ja hin zu einer Verknappung von Arbeitsplätzen, das das jetzige Pensionssystem (aktiv Arbeitende zahlen ein) sowieso untergräbt. Daher helfen mehr Kinder bei der zu erwartenden Verknappung der Arbeitsplätze dem Pensionssystem in keiner Weise.
Auf Frau Kelles Genderbegriff einzugehen würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Es sei nur soviel gesagt: Genderpolitik ist sicher nicht der Feind von Familienpolitik und spricht weder einer Mutter noch einem Vater Elterngefühle ab! Gender-Mainstreaming meint, politisch Maßnahmen zu setzen, die Benachteiligungen und Diskriminierungen aufgrund des Frauseins sichtbar macht und reduzieren will. Kurz gesagt: Gleiches Geld für gleiche Arbeit.
Genderpolitik zwingt keine Frau auf Kinder und die Karenzzeit zu verzichten, noch werten Gendertheorien Muttersein per se ab. All die politischen Unterlassungen, die die heutige Frauenarmut im Alter zur Folge haben, sind vor allem von Männern in den letzten Jahrzehnten gemacht worden, die sicher weder Feministen waren noch Gendertheoretiker.
Frau Kelle stellt in ihrem Interview so manche Behauptungen auf, ohne diese sachlich und fachlich zu belegen, zeichnet ein zu hinterfragendes Mutterbild („Muttertier“), wertet pauschal pädagogisches Arbeiten ab („eine frühe Fremdbetreuung kann das Sprachvermögen beeinträchtigen“) und interpretiert absichtlich und bewusst den Begriff „Gender“ um. Einer gerechten Familienpolitik und dem Kindeswohl tut sie damit nichts Gutes.
Franzika Berdich, Mag.a Martina Greiner-Lebenbauer, Christine Saliger
Vorsitzende der kfb Wien