Wir kennen alle die Sprüche: „Alle müssen in Zeiten großer Budgetnot sparen“ und „breitere Schultern müssen mehr tragen als schmale“. Aber wie schaut die Realität aus?
Bis jetzt habe ich noch nichts darüber gelesen, was die „breiten Schultern“, also die nicht gerne so genannten „Reichen“ zum Stopfen der durch verschiedene Kriseninterventionen, aber auch durch nicht gedeckte Steuergeschenke an eher wohlhabende gesellschaftliche Gruppen verursachten tiefen Löcher im Staatshaushalt beitragen.
Abgesehen davon, dass Austeritätspolitik, also die strikte Sparpolitik des Staates in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs ein unter Ökonomen zumeist kritisch gesehenes Mittel ist, den Haushalt zu sanieren, da sie meist eine Abwärtsspirale in Gang setzt, sehe ich derzeit vorwiegend Sparmaßnahmen, die benachteiligte Gruppen treffen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden.
Alle jene, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, wie Menschen in der gemeinnützigen und sozialen Arbeit, Mitarbeitende diverser nicht staatlicher Organisationen, auf Sozialhilfe angewiesene Menschen, schutzbedürftige Migrantinnen, spüren die staatlichen Sparmaßnahmen unmittelbar und existenzbedrohend. Hingegen wird der Scheinwerfer, den die Boulevardmedien so grell auf jene auf die Leistungen des Sozialstaates Angewiesene richten, dann abgedreht, wenn der enorme Überreichtum in unserem Land sichtbar gemacht werden soll. Ist es doch so, dass 1% der Bevölkerung 50 % des privaten Reichtums dieses Landes besitzen.
Ich weiß schon, vieles davon ist in Landbesitz, Industrieunternehmen usw. gebunden, aber bei 50 % des gesamten Privatvermögens einer Nation bleibt da noch einiges über, das von diesem breiten Schultern für das Gemeinwohl zur Verfügung gestellt werden könnte, so wie das die übrigen 99 % der Bevölkerung auch tun. Aber großer Reichtum ist außen vor. All jene, die arbeitsloses Einkommen beziehen, indem sie ihr Geld für sich arbeiten lassen, entziehen sich in hohem Maße ihrer Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit.
Es spricht für sich, dass vorige Woche die Schweizer Bevölkerung aus Angst vor der Kapitalflucht der Superreichen sich gegen eine Erbschaftssteuer für diese entschieden hat. Aber wohin sollen sie mit ihrem Vermögen denn fliehen? Wenn sie so weiter machen, wird es kaum mehr sozial stabile Häfen geben, wo ihr Geld gegen Unruhen und Umstürze gesichert ist. Bis das mit dem Mars funktionieren wird, wird es noch eine Weile dauern.
Da kommt für mich der Bibelspruch, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher das Himmelreich sieht, ins Spiel. So wörtlich ernst viele biblische Aussagen genommen werden, diese wird immer schon interpretiert und bagatellisiert. Dabei ist es klar und eindeutig und kommt sowohl bei Markus, Lukas als auch bei Matthäus vor. Wenn wir als Christinnen und Christen nun das Himmelreich als das sehen, was damit gemeint ist, als ein Anbrechen von Gottes Wille auch schon im Hier und Jetzt, dann ist dieser Spruch eine Absage an den Reichtum auch schon im Hier und Jetzt, um die Fülle des Lebens – das Himmelreich – auch schon in dieser Welt erfahrbar zu machen.
Reichtum ist etwas sehr Relatives, im Verhältnis zu vielen Menschen in den Ländern des Südens sind wir hier fast alle reich. Ich denke aber, dass mit dem Bibelspruch etwas anderes gemeint ist, nämlich Menschen, die sich auf Grund ihres Reichtums aus der Gemeinschaft und aus der Verpflichtung dieser gegenüber herausgenommen haben; die es als selbstverständlich ansehen, dass ihnen mehr zusteht, als der „breiten Masse“.
Sie begründen das mit außerordentlichen Fähigkeiten, die sie oder ihre Vorfahren haben und hatten. Eigentum ist für sie - mehr als die Menschenwürde - unantastbar. Sie sehen sich als eigenständige und selbstbestimmte Menschen, die die anderen nicht brauchen und dazu berechtig sind, mithilfe ihres Vermögens, Einfluss auf die Regeln des Zusammenlebens der anderen zu nehmen, von denen sie aber nicht betroffen sind, weil sie nicht dazu gehören.
Ich sehe als Kennzeichen dessen, was reiche Menschen davon abhält, mit anderen gemeinsam ein gutes Leben zu führen – also der Fülle des Lebens hier auf Erden nahe zu kommen – alles das, was man dazu braucht, um wirklich reich zu werden. Denn Voraussetzung dazu, Reichtum um des Reichtums willens anzustreben, ist es, dem Besitz von Gütern und Dienstleistungen und der Macht über andere Menschen eine Bedeutung beizumessen, die davon ausschließt, gemeinsam und solidarisch mit anderen zu handeln.
Um wirklich reich zu werden, braucht man einen individuellen Impetus, der die Kraft des Intellekts, der Arbeit, die Früchte dieser Erde und andere Menschen für sein persönliches Fortkommen benutzt. Wer aber die Schwerpunkte in seinem Leben so setzt, ist blind dafür, was wir als Einzelmenschen und als Gemeinschaft zu einem gelingenden Leben brauchen. Ich nehme an, dass das zu allen Zeiten gleich war und Jesus mit seinem Gleichnis genau das gemeint hat.
Nun scheint es aber so zu sein, dass dieser kleine Prozentsatz an Persönlichkeiten, die meinen, oberhalb der Gesellschaft zu stehen und ihr gegenüber keine Verpflichtungen zu haben, bestimmen, wie diese organisiert sein soll. Es ist schier unmöglich, gesetzliche Regeln zu schaffen, dass all jene angemessen zum Gemeinwohl beitragen, die dies wegen ihres Reichtums in keiner Weise spüren würden – warum ist das so?
Ich vermute, weil sie die Spitze eines feudalistischen Systems sind, an dem viele glauben, ihren Anteil haben zu können, wenn sie nur brav mitspielen: Die analogen und digitalen Journalisten und Journalistinnen, die ihren feudalen Eigentümern zu Diensten sind. Die Politiker und Politikerinnen, die um Parteispenden jener bangen, die nach Gutsherrenart verteilen. Die Vielen, die zumeist irrtümlich glauben, dass auch sie zur Kassa gebeten werden, wenn es um das Eindämmen des enormen Überreichtums der
Wenigen geht.
Die sozialen Einrichtungen, die Brosamen vom Tisch der Reichen in Form von Spendengalas serviert bekommen. Die Gewerkschaft, die Konzernchefs milde stimmen möchte. Die Kirchen, die um ihre Privilegien und die Spenden jener bangen, die sie für ihre Zwecke benutzen wollen. Und nicht zu vergessen, auch viele sogenannte kleinen Leute, denen es halt imponiert, wie die Abgehobenen ihren Reichtum zelebrieren und die lieber nach unten auf die noch Benachteiligteren treten.
Was tun? Es tröstet kaum, zu wissen, dass den Reichen das Himmelreich verschlossen bleibt und dass sie in ihrer schillernden Blase wahrscheinlich seelisch verkümmerte Individuen sind, wenn sie dennoch die Früchte dieser Erde zulasten der großen Mehrheit ausplündern. Aber es ist schon was, all das zu erkennen und ins Gespräch zu bringen. Wenn wir das tun, werden wir immer in die Schranken gewiesen, indem man uns unterstellt, eine „Neiddebatte“ zu führen.
Aber Jesus hat keine Neiddebatte geführt, als er das Gleichnis vom Kamel und dem Nadelöhr zur Sprache brachte, sondern angeregt, die Verteilungsfrage des Reichtums dieser Erde zum Thema in den Gemeinden zu machen und auf die politische Agenda zu setzen, denn an ihr entscheidet sich die Zukunft unseres Planeten.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.