Das Erreichte würdigen und den Finger auf nicht Eingelöstes legen
Nostra Aetate (NA) hat vor 60 Jahren eine Tür zu anderen Religionen geöffnet, wofür ich heute noch dankbar bin. Das Paradigma der Abgrenzung von anderen und der Ausgrenzung anderer wurde – nicht nur hier - ersetzt durch das Paradigma des Dialogs. Mit einer speziellen Dienststelle „Kirche im Dialog“ wird leicht übersehen, dass Dialog ein Strukturprinzip von Kirche ist. Anders verrät sie ihre Bestimmung.
Seit 1965 ist nicht nur die katholische Kirche einen damals unvorstellbar weiten Weg zu anderen Religionen und mit anderen Religionen gegangen. Dabei sind Päpste in gewisser Weise der Kirche vorangegangen wie etwa Johannes Paul II: mit seinem Besuch in der Synagoge von Rom oder dem ersten Weltgebetstreffen für den Frieden in Assisi. Mit Ernst Fürlinger „Der Dialog muss weitergehen“ (2009) und „Handwerker der Hoffnung“ (2023) kann man diesen, manchmal auch holprigen Weg sehr gut nachvollziehen.
60 Jahre sind Anlass, das Erreichte zu würdigen und den Finger auf nicht Eingelöstes zu legen. Warum ist der Alltag im Raum der Kirche so wenig geprägt von „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche die Muslim“ (NA 3)?
Der durch NA 4 ermöglichte christlich-jüdische Dialog fördert die Erneuerung der Kirche. Dies wurde jüngst bei den „Ökumenischen Erkundungen in Liturgie, Verkündigung und Glaubensvermittlung im Angesicht des Judentums“ der Liturgischen Kommission für Österreich erfahrbar.
Fast zeitgleich diagnostizieren Christian Frevel und René W. Dausner in „Schulter an Schulter“ (2024) ein „erlahmendes Interesse der Theologie an christlich-jüdischen Fragen und an der Sensibilität für antijüdische Vorurteilen der eigenen Disziplin“. Sie verlangen eine neue „Dringlichkeitskonferenz gegen Antisemitismus“ „aus der Mitte der Theologie“ zur „Antisemitismusprävention in der Theologie“.
Das Ziel wäre eine judentumsensible christliche Theologie und christliche Existenz. Schon in NA 4 ist „Schulter an Schulter dienen“ ein Bild, „das Hoffnung in der Gegenwart wachhält“.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.