60 Jahre „Nostra Aetate“ – Ein Weg der Verständigung
Vor sechzig Jahren veröffentlichte das Zweite Vatikanische Konzil die Erklärung „Nostra Aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen – ein Dokument, das den christlich-jüdischen Dialog nachhaltig geprägt hat.
Bereits 1971 nahm die Wiener Diözesansynode in einer ersten Erklärung zu Nostra Aetate Stellung. Den Einrichtungen der katholischen Erwachsenenbildung in der Erzdiözese wurde empfohlen, sich intensiver mit dem Alten Testament und dem Judentum auseinanderzusetzen.
1986 war ein schwieriges Jahr für Österreich. Im Umfeld der Präsidentschaftswahl Kurt Waldheims traten antisemitische Tendenzen offen zutage. Die Katholische Aktion Österreichs (KAÖ) reagierte mit einer Vielzahl von Initiativen im Sinne von Nostra Aetate. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde begrüßte diese Entwicklungen als „Beginn eines Weges, auf dem wir eine entgegengestreckte Hand ohne Scheu ergreifen“.
Unter Präsident Paul Schulmeister (1985–1988) und mir als Generalsekretärin entstanden zahlreiche Veranstaltungen und Projekte, teils in Zusammenarbeit mit der Katholischen Laienratsorganisation (KLRÖ):
„Christlich-jüdische Stunde der Besinnung“ – in der Nationalbibliothek. Paul Eisenberg, Hans Hermann Groer, Alfred Jahn und weitere Vertreter des öffentlichen Lebens“
„Schalom – der Friede, den er uns gibt“ (26. Oktober 1986, Akademie der Wissenschaften) – mit Rudolf Kirchschläger, Erhard Busek und Vertreter:innen jüdischer und christlicher Jugend.
„Kirche und Politik 1938/1945/1988“ – Vorträge und Diskussionen unter Beteiligung von Franz König.
Arbeitskreis der KAÖ für christlich-jüdische Verständigung – geleitet von Hubert Feichtelbauer und Otto Friedrich.
„Ausblicke – Christlich-jüdisches Gespräch mit Jugendlichen“ – Dialogprogramm für junge Menschen.
Multikonfessionelles Gespräch über Frieden und Versöhnung – in der UNO-City Wien.
„Säuberung verlassener jüdischer Gräber“ – gemeinsame Aktionen am Zentralfriedhof und am Währinger Friedhof.
„Schalom für Österreich – Wege in die Zukunft“ (Redoutensaal) – mit Zeitzeugen wie Emil Spannocchi und Fritz Csoklich sowie Vertreter:innen von Religionsgemeinschaften, Politik und Zivilgesellschaft.
Aus dieser Reihe von Begegnungen erwuchs auch der jährliche ökumenische Gottesdienst „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“, der seit 1986 am 9. November in der Ruprechtskirche stattfindet und an die Novemberpogrome von 1938 erinnert.
Ich wurde auf den Philippinen als Tochter jüdischer Flüchtlinge geboren und kam als Jugendliche nach Österreich. Mit 18 Jahren konvertierte ich zum Katholizismus. Ich habe gelernt: Wer das Christentum verstehen will, muss das Judentum kennen. Ich besuche am Freitag die Synagoge und am Sonntag die Kirche – ein persönlicher Weg zwischen den Religionen. Mein Leitsatz bleibt die Botschaft von Nostra Aetate: Gemeinsames und Trennendes anerkennen und jede Form von Missionierung ablehnen.
Ruth Steiner war von 1986 bis 2000 Generalsekretärin der KAÖ.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.