2021 hat sich unter dem Namen „Bessere Schule Jetzt“ eine Initiatve aus Eltern UND Lehrer:innen aus Wien zusammengefunden. Bessere Schule, das bedeutet für uns eine Schule, die den aktuellen Herausforderungen begegnen und handeln kann. Eine Schule um die Ecke (zumindest im städtischen Raum), die Kinder in ihrer Einzigartigkeit dort abholt, wo sie stehen und ihnen die Zeit gibt, die sie individuell benötigen. Eine Schule, die Potentiale in den Kindern und Jugendlichen sieht und diese fördert. Eine Schule, die die Gesellschaft in ihrer Buntheit widerspiegelt, statt auszusortieren und auszugrenzen.
Das alles braucht grundlegende systematische Veränderungen, es braucht mutigen politischen Willen, es braucht die konsequente Umsetzung von bekannten und erprobten, in ihrer positiven Wirkung wissenschaftlich erwiesenen Konzepten. Es braucht bessere räumliche Rahmenbedingungen und es braucht wahrscheinlich auch mehr Mittel, wobei letzteres für eine zivilgesellschaftliche Initiative garnicht so leicht herauszufinden ist.
In den drei Jahren zivilgesellschaftlicher Arbeit für die Bildung unserer Kinder haben wir mit vielen Eltern, Lehrer:innen, Schüler:innen, Schulleiter:innen gesprochen und ihnen zugehört. Wir haben mit Verantwortungsträger*innen, Politiker*innen, Menschen aus Verwaltung, Parteien, Initiativen, Anwaltschaften, NGO´s Kontakt aufgenommen und Gespräche geführt. Wir haben unser Anliegen vorgebracht, Fragen gestellt, argumentiert, Informationen eingeholt, uns weitergebildet. Wir haben Einblick bekommen in ein undurchschaubares System, wo es oft den Anschein hat eine Hand nicht wisse nicht was die andere tut. Wir haben Geschichten erzählt bekommen, die wir nicht glauben konnten, Absurditäten, die nicht nachvollziehbar sind.
Auf was wir aber vor allem gestoßen sind, sind gegenseitige Schuldzuweisungen, Verschieben von Verantwortung, parteipolitische Machtspiele und wenige klare Zusagen.
Von Seiten der Stadt Wien heißt beispielsweise es, es gibt zu wenig Mittel vom Bund, um die Kinderzahl in den Klassen zu verringern (in Wien gibt es im Bundesländervergleich die größten Klassen > siehe Statistik Austria). Von Bundespolitiker*innen hören wir, Wien hat genug, es wird nur schlecht verteilt oder schlecht verwaltet. Das lässt uns als Bürger*in nur ratlos zurück, wir sollten doch eigentlich in der Lage sein, solche grundlegenden Vorgänge halbwegs zu durchschauen.
Es geht bei diesem Thema um nichts weniger, als um die Kinder dieser Gesellschaft. Und wir werden nicht müde zu betonen, dass es uns um ALLE Kinder geht. Uns geht es um die Kinder dieser Gesellschaft und ganz besonders um die, die schlechte Startbedingungen haben. Kinder aus bildungsfernen Familien, Kinder, die mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen leben, Kinder mit Migrations- oder Fluchthintergrund, Kinder mit schweren Rucksäcken.
Und es gibt nicht wenige Kinder, auf die mehrere Punkte dieser Aufzählung zutreffen. Jedes Kind hat Begabungen, aber wir haben in Österreich immer noch ein Bildungssystem, das sich auf die Schwächen konzentriert. Ein Bildungssystem, das nicht den UN-Behindertenrechtskonvention entspricht, das häufig dafür kritisiert wird, Bildung zu vererben und zu viel und zu früh trennt.
Es gibt sie aber, die Hoffnungsschimmer im aktuellen Schulsystem. Orte an denen durch ambitionierte Schul- und Lernformen Bedingungen geschaffen wurden, die Kinder ihre Stärken erkennen und ausbauen lassen. Lernformen, die niemanden zurücklassen. Zum Beispiel die integrative Mehrstufenklasse oder die ursprüngliche (!) Form der verschränkten Ganztagesvolksschule, oder zahlreiche, verschiedene und durchgehend erfolgreiche Versuche von Gesamtschulen. Nur leider sind diese Leuchttürme massiv bedroht durch Abgraben von Ressourcen. Und das, obwohl sie ja eigentlich gegründet wurden um nach reiflicher Evaluierung auf die Fläche ausgerollt zu werden. Die Leuchttürme sollen nicht zum Selbstzweck und für die, die glücklicherweise einen Platz darin ergattert haben erhalten werden, sondern, weil sie Schule leben, wie Schule für ALLE sein soll.
In allen Besprechungen, in denen wir sitzen, bekommen wir im Wesentlichen Zustimmung: „Ja, Sie haben Recht! Wir sind ja auch für kleinere Klassen. Aber leider…“ „Ja, Sie haben Recht! Diese Schulformen sind ganz wichtig und dürfen nicht sterben. Aber fixe Zusagen können wir nicht machen.“ „Wir danken Ihnen sehr für Ihr Engagement, das ist so wichtig, dass Eltern sich für das Bildungssystem einsetzen, Sie können jederzeit mit Fragen und Anliegen zu uns kommen!“ „Sie haben Recht, die Situation ist mit dem Kindeswohl nicht vereinbar. Wir haben dem auch ein Kapitel in unserem Jahresbericht gewidmet, aber wir können uns leider nur um Einzelfälle kümmern.“ „Ja, es stimmt, wir brauchen eine Nachfolgeregelung, aber wie die in zwei Jahren aussieht, kann ich Ihnen nicht sagen.“
Wie kann es sein, dass sich alle in der Sache so einig scheinen, insgesamt aber kaum etwas weitergeht im Schulwesen Österreichs.
Wir wissen, dass wir uns hier an eins der schwierigsten Themen dieser Republik herangewagt haben. An der Reform des österreichischen Bildungssystems sind schon Granden wie Hannes Androsch oder die Industriellenvereinigung gescheitert, zahlreiche Initiativen, parteiab- und unabhängige, haben sich die Zähne daran ausgebissen.
Wir haben nicht die Illusion, dass wir als kleine Initiative das ganze System auf den Kopf stellen können, auch wenn wir wissen, dass das das Einzige ist, was wirklich helfen könnte. Andererseits haben wir schon einiges erreicht: wir haben eine gute Gesprächsbasis mit der Bildungsdirektion und dem Bildungsstadtrat. Wir haben in vielen großen Demonstrationen den Druck, der im System steckt aufzeigen können. Wir haben uns mit anderen Initiativen zusammengeschlossen und zwei Mal den österreichweiten Aktionstag Bildung für Inklusion und eine gemeinsame Schule für Alle (zumindest bis 15) organisiert. Wir haben erreicht, dass integrative Mehrstufenklassen die ohnehin schon wenigen Teamstunden nicht gestrichen werden und jüngst, dass Mehrstufenklassen weiterhin gemeinsam auf Projekttage fahren können. Wir sind in der Zwischenzeit sehr gut vernetzt und ein häufiger Ansprechpartner für Medien oder Kooperationen.
Angie Weikmann ist Mitglied des Kernteams von "Bessere Schule jetzt".
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.