Der Mariendom in Linz ist das größte Kirchenbauwerk Österreichs und heuer 100 Jahre alt. Anlässlich dieses Jubiläums wurde in der Turmkapelle ein Kunstraum installiert. Vorige Woche wurde dort die geschnitzte Skulptur „Crowning“ ausgestellt, die, wie die Künstlerin Esther Strauß vermerkte, eine Leerstelle in den bildlichen Darstellungen Mariens füllen sollte, nämlich das zu zeigen, was wir an einem der größten kirchlichen Festtagen feiern – die Geburt Christi.
Maria, die Mutter Jesu, regte über die Jahrhunderte hinweg vor allem männliche Künstler an, sie in verschiedensten Lebenssituationen darzustellen. Es gibt die Verkündigungsszenen, Krippendarstellungen in jeglicher Form, die stillende Madonna und viele Szenen bis zu den Darstellungen der Pieta, ja ich habe sogar das Foto einer Skulptur, bei der Maria, das Jesukind auf ihrem Schoß kaum beachtend, interessiert ein Buch liest. Schweigen möchte ich fast über die vielen Mariendarstellungen, die eine unterwürfige, weltentrückte Frau darstellen – wären diese Bilder nicht allgegenwärtig.
Weshalb empört die Darstellung des in die Welt Bringens des Gottessohns durch Maria aber so sehr, dass jemand mit einer Säge in die Kirche geht und in einem Vandalenakt sondergleichen, dieser Gebärenden den Kopf absägt. Was sagt das über unsere Zeit aus?
Wir sind an das Zeigen todbringender Grausamkeiten in den Kirchen und an vielen Orten gewöhnt und abgestumpft. Wir kommen zum gemeinsamen Essen und gemütlichen Beisammensein im Herrgottswinkel unter dem Kreuz, das den sterbenden Jesu zeigt, fröhlich zusammen, ohne uns der Anstößigkeit dessen gewahr zu werden. Die allgegenwärtigen Leidensdarstellungen der kirchlichen Märtyrer und Märtyrerinnen lassen uns ziemlich kalt. Wir registrieren dieses Skandalon erst, wenn uns Kinder, die diese Bilder und Skulpturen zum ersten Mal sehen, diesbezügliche Fragen stellen.
All das, was mit weiblicher Sexualität zusammenhängt, hat seit jeher am meisten empört und tut es sichtlich noch immer. In der Kunst zeigt sich das am deutlichsten. Die grausamsten szenischen Handlungen in Theater und Kino erregen kaum die Gemüter, aber Nacktheit, die Darstellung des Geschlechtsakts und sexueller Handlungen bringen die Volksseele zum Kochen und es wird nach Zensur gerufen. Häufig wird dabei angeführt, dass Kinder daran Schaden nehmen können. Jene Kinder, denen wir täglich in unseren Abendnachrichten die zerstörerischen Bilder von Krieg und Mord zumuten, ohne diese Bedenken zu äußern.
Unser Umgang mit Kunst und Kultur zeigt, welche Werte unsere Gesellschaft hat. Todbringende Grausamkeiten gehören scheinbar zum Alltag, um damit umzugehen, werden sie in den Religionen spirituell erhöht und gewandelt. In religionsfernen Zeiten, geschieht nicht einmal mehr das und wir sind all dem hilflos ausgeliefert. Lebensspendende Freuden und Leiden hingegen werden meist tabuisiert und sind zumindest oft schambesetzt. Die Frauen als Inbegriff des Leben Spendens werden noch immer eingeordnet in die Heilige und die Hure um das Heilige der Sexualität nicht integrieren zu müssen. Denn sie ist unverfügbar, nicht beherrschbar und macht deshalb Angst. Um dieser Angst zu entgehen, kursiert für alle zugänglich in den sozialen Medien pornographisches Anschauungsmaterial, das Sexualität zur beziehungslosen Freizeitaktivität degradiert. All das scheint nebeneinander Platz zu haben.
Das Köpfen eines Kunstwerks, das eine gebärende Frau darstellt, ist ein barbarischer Vandalenakt. Hier wird die Gewalttätigkeit von sogenannten Sittenwächtern offenbar. Diese Handlung zeigt aber auch, dass die Aufklärung auch bei vielen Menschen in unserer Kultur noch nicht angekommen ist. Damit sollten wir uns befassen und nicht nur mit dem Finger auf „rückständige“ Muslime zeigen – wir haben noch viel an unseren westlichen Werten zu arbeiten.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.