Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Geburt Jesu Christi. Was haben diese beiden Ereignisse miteinander zu tun? - Im Kern mehr als man auf den ersten Blick vermutet. Die Idee, dass der Mensch ein Recht auf Freiheit hat und dass vor dem Gesetz alle gleich sind, ist schon in der Französische Revolution grundgelegt und findet sich ebenso in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten.
Die Deklaration der AEMR vom 10. Dezember 1948 geht aber noch einen Schritt weiter.
Dort wird erklärt, dass diesen Rechten nun auch eine universelle Gültigkeit zukommt – eine Erklärung, die aufgrund der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges zustande kam, eines Ereignisses globaler Dimension. Heute, 75 Jahre danach, kommt starker Zweifel am Gedanken auf, dass jeder Mensch gleiche Rechte hat, dass alle mit der gleichen Würde geboren werden und deshalb den gleichen Respekt verdienen. Selbst in westlichen Demokratien stellen politische Strömungen den universellen Anspruch dieser Rechte grundsätzlich in Frage.
Aber gerade als Christ habe ich großen Respekt vor diesem Anspruch der allgemeinen Gültigkeit. Denn auch im Glauben an die Menschwerdung Gottes, die Christ:innen jedes Jahr mit der Geburt Jesu feiern, steckt ein universeller Anspruch. Menschwerdung heißt, dass Gott dem Menschen durch Jesus Christus mit dem Angebot entgegenkommt, so sein zu können wie wie er ist, also frei sein zu können. Und es ist ein Angebot, das jeden Menschen alleine aufgrund seines Menschseins zu kommt - unabhängig seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung, der sozialen, kulturellen, religiösen oder ethnischen Herkunft. Eine gewisse Nähe zum Verständnis der Menschenrechte ist also gegeben. Universell zu denken, sollte daher nicht aufgegeben werden.
Diesen Artikel 1 der AEMR sehe ich daher als profane Version des Weihnachtsevangeliums. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ kann als säkulare Übersetzung der Menschwerdung Gottes gedeutet werden, weil sie auf ganz andere Weise Ausdruck für dasselbe ist. Der Anspruch der Botschaft Christi gipfelt tausende Jahre später in dieser von Eleonore Roosevelt vorangetriebenen Erklärung, die nicht nur ein Produkt der abendländischen Kultur ist, sondern zu dem auch andere Traditionen beigetragen haben.
Mag. Helmut Schüller ist Universitätsseelsorger, Pfarrer in Probstdorf und geistlicher Assistent des Katholischen Akademiker*innenverbandes der EDW
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.