Warum wir einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus brauchen
Seit 1999 setzt sich der Verein ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit für eine rassismuskritische Gesellschaft ein. Unsere tägliche Arbeit verdeutlicht uns dabei wieder und wieder, wie diffus das Thema Rassismus für viele immer noch ist.
Deshalb stellt sich für uns mit jedem Rassismus Report die Frage, welchen Schwerpunkt wir setzen und welche Themen wir neben den anonymisierten Falldarstellungen behandeln, um das System Rassismus greifbarer zu machen. Wir müssen öfter und klarer über Rassismus sprechen, um ihn zu entlarven und besser dagegen vorgehen zu können. Denn Rassismus ist ein gesellschaftliches Instrument, das sich seit Jahrhunderten global etabliert hat, strukturell verankert ist und Macht ungleich verteilt.
Dieses System sichert weißen Menschen soziale, wirtschaftliche sowie politische Privilegien ebenso wie eine machtvollere Position in der Gesellschaft. Es wird ein „wir“ gegen „die Anderen“ geschaffen, wobei „die Anderen“ abgewertet bzw. herabgewürdigt werden. „Die Anderen“ weichen einer konstruierten „Norm“ ab, werden als Gruppe und nicht als Individuen gesehen.
Während des Kolonialismus entwickelten europäische Kolonialmächte rassistische Theorien, um die Unterdrückung und Ausbeutung der kolonisierten Bevölkerungen zu rechtfertigen und zu legitimieren.
Dabei dienten die rassistischen Vorstellungen nicht nur für ideologische Zwecke, sondern wurden auch institutionell verankert. Sie beeinflussten die soziale und politische Struktur in den Kolonien und schafften rassistische Hierarchien, bei denen weiße Europäer oft an der Spitze standen, während Menschen aus den Kolonien als minderwertig angesehen wurden. Der Rassismus diente dazu, die wirtschaftliche Ausbeutung der Kolonien zu legitimieren, sei es durch Sklaverei, Ausbeutung natürlicher Ressourcen oder Arbeitskräfte ohne angemessene Entschädigung.
Kein anderes System der Unterdrückung hat strukturell dermaßen tiefgreifende, nachhaltige und global weitreichende Agenda erschaffen wie der Rassismus. Diese rassistischen Vorstellungen und Hierarchien wirken bis heute nach, was einerseits zu sozialen Ungleichheiten und Diskriminierung führt und andererseits Macht und Privilegien festigt. Auch heute noch werden rassistische Narrative über Personengruppen genutzt, um Missstände, Ungerechtigkeiten, Diskriminierung und Hass zu legitimieren.
Zum gleichen Ergebnis kommt der Human Rights Council der Vereinten Nationen in seiner 51. Sitzung am 6. Oktober 2023. Die amtierende Hochkommissarin für Menschenrechte, Nada Al-Nashif, betonte den Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Rassismus und die Notwendigkeit, sich mit den historischen und aktuellen Folgen des Kolonialismus für die Menschenrechte auseinanderzusetzen.
Denn nur so kann Jahrhunderte langes und in allen Ebenen der Gesellschaft – sei es Bildung, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Medien – verankertes Wissen aufgebrochen und verändert werden. Die Vorsitzende des Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung, Verene Shepherd, betonte, dass der Kolonialismus nicht nur ein historisches, sondern auch ein aktuelles Phänomen sei, das dringend Aufmerksamkeit erfordere.
Die im Dokument erwähnte Durban Declaration and Programme of Action von 2001 leitete einen globalen Prozess zu gesetzlichen Maßnahmen gegen Rassismus ein. Im Jahr 2020 sprach die Europäischen Kommission eine Empfehlung an die Mitgliedsstaaten für Nationale Aktionspläne gegen Rassismus aus. Vorgesehen war eine Frist bis Ende 2022, die die aktuelle Regierungskoalition trotz Festlegung im aktuellen Regierungsprogramm 2020-2024 bisher nicht umgesetzt hat. Das ist ein katastrophales Signal.
ZARA hat deshalb das Black Voices Volksbegehren unterstützt, das antirassistische Maßnahmen für verschiedene Bereiche gefordert hat und in den Rassismus Reports von 2020 und 2021 die Notwendigkeit eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus dargelegt. Denn z.B. das Bildungssystem, der Arbeitsmarkt oder das Gesundheitssystem reproduzieren und verstärken verschiedene Formen von Ungleichheit – insbesondere jene, die auf Rassismen beruhen.
Sie sind aber nicht die einzigen Bereiche, die das betrifft. Auch in der Polizei ist Rassismus ein erhebliches Problem. In Österreich werden regelmäßig Fälle von rassistisch motivierter Polizeigewalt bekannt, in denen polizeiliches Fehlverhalten ungeahndet bleibt. Gleichermaßen sind in österreichischen Museen etliche Kunstwerke und Objekte zu finden, die nicht ihnen gehören, sondern Raubgüter u.a. aus Kolonialzeiten sind.
Um zu zeigen, welche konkreten Schritte gesetzt werden können, haben wir im aktuellen Rassismus Report unsere Forderungen auf 8 Seiten ausformuliert. Es sind kurz-, mittel- und langfristige Eckpunkte, die zusammen Ziele sind, die einen Idealzustand darstellen, der mit der Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen und Community Organisationen und entsprechenden finanziellen Mitteln umgesetzt werden soll. In Anbetracht dieser tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen, die Rassismus in unserer Gesellschaft bilden, wird deutlich, dass wir dringend strukturelle Maßnahmen benötigen.
Amina El-Gamal ist Koordinatorin für (trans-) nationale Projekte und Vernetzung bei ZARA. Der Tetx wurde gemeinsam mit Ramazan Yıldız, Outreach bei ZARA, verfasst.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.