In der Früh aufstehen
Was meint er damit? Sind all jene, die in der Früh aufstehen, egal wie sie den darauf folgenden Tag verbringen, schon automatisch „Leistungsträger“ unserer Gesellschaft? Und sind all jene, die einen anderen Tagesrhythmus haben, selbstverständlich „Sozialschmarotzer“? Ich muss gestehen, ich gehöre Zeit meines Lebens nicht zu den „Frühaufstehern“, aber natürlich war ich durch die Rahmenbedingungen zumeist gezwungen, mich dem allgemeinen Tagesablauf der meisten Menschen anzupassen. Meine besten Ideen und kreativen Aktivitäten habe ich allerdings dann verwirklicht, wenn ich meiner inneren Uhr folgen konnte, und erst dann aufstehen musste, wenn ich ohne Weckerläuten von selbst aufwachen konnte. Es ist kein Beweis für außergewöhnliche Leistungsbereitschaft, immer unausgeschlafen an die Arbeitsstelle zu kommen. Und es ist nicht leistungsfeindlich einen anderen Lebensrhythmus zu haben. Also was soll diese dumme Phrase.
Karl Nehammer, Johanna Mikl-Leitner und Udo Landbauer sind sichtlich sehr zeitig in der Früh aufgestanden, um ihr für viele Menschen bedrohliches Tagwerk zu beginnen, aber wo ist ihre Leistung? Karl Nehammer will Österreich als d a s Autoland sehen, er will den Ärmsten in unserer Gesellschaft die Sozialleistungen kürzen, damit jene, die für einen Hungerlohn arbeiten müssen, sich besser fühlen, weil sie ja mehr bekommen, als Sozialhilfe-Empfangende, er macht das Gendern lächerlich und hetzt gegen die Klima-Aktivistinnen.
Noch ärger ist allerdings, das, was uns Johanna Mikl-Leitner mit ihrem Morgen-Fleiß antut. Sie kann unhinterfragt 30 Millionen für Pandemie-Maßnahmen Geschädigte locker machen, sie will die österreichische Wirtshauskultur fördern, also Würstel- statt Kebapständen und ähnliche Abstrusitäten. All dies präsentierte sie uns an der Seite von Udo Landbauer, der nicht nur über sie die verhetzerischsten und menschenverachtendsten Äußerungen von sich gibt und dessen Partei sie nicht einmal zur Landeshauptfrau wählt. Sich an die rechtsextreme FPÖ-NÖ mit Herrn Waldhäusl und Co. zu binden, scheint ihr lieber zu sein, als mit der SPÖ sich auf kostenlose Kindergartenplätze, eine Ortskernbelebung, Jobgarantie für Langzeitarbeitslose, für Heizpreisstop und für die Anstellung pflegender Angehöriger zu einigen. Welches Menschenbild haben all diese Leute? Haben sich die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher eine solche empathie- und kulturlose Regierung verdient? Ich denke, wenn all die aufrechten Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, all die engagierten jungen Funktionäre und Funktionärinnen der ÖVP, die sich noch dazu oft der kirchlichen Soziallehre verbunden fühlen, das akzeptieren und nicht dagegen rebellieren, dann haben sie es sehr wohl verdient, als das gesehen zu werden, was sich derzeit aufdrängt, nämlich zu einer rückwärtsgewandten, an den Austrofaschismus anknüpfenden demokratiegefährdenden Partei zu gehören, die uns, ihrem Leistungsgedanken entsprechend, schon frühmorgens in den politischen Abgrund treibt.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.