2023 – Für eine menschenwürdige Flüchtlings- und Migrationspolitik
Menschen flüchten, weil sie in ihrer Heimat von Gewalt, Krieg, Unterdrückung oder wirtschaftlicher Not bedroht sind. Abgesehen von der Ukraine kommen nach wie vor die meisten Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan.
Ihr Recht, Schutz zu suchen, darf nicht weiter Spielball populistischer Parteiinteressen sein. Manipulative Zahlenzauberei (wie sie mit den 100.000 Asylsuchenden des letzten Jahres betrieben wurde) dient nur dem Schüren von Ängsten. Der Großteil der Antragsteller:innen ist in andere Länder weitergereist.
Mit Dezember waren in Niederösterreich ca. 4.200 Asylwerber:innen in der Grundversorgung, die vorgesehene Quote wurde nur zu knapp 75 % erfüllt. Damit ist unser Bundesland Schlusslicht in Österreich. Vom zuständigen Landesrat gibt es dennoch ein klares Nein zu weiteren Quartieren für „Wirtschaftsflüchtlinge“. Diese Aussage zeugt nicht von Menschlichkeit und Rechtsverständnis. Sie beweist auch mangelnde Solidarität gegenüber den anderen Bundesländern und dem Traiskirchner Bürgermeister, ebenso gegenüber der Zivilgesellschaft und den Hilfsorganisationen, die seit 2015 die Hauptlast der Flüchtlingsbegleitung tragen.
Eine Neubesetzung des Ressorts für Asyl und Integration in der künftigen Landesregierung würde die notwendige Kooperation ohne Zweifel erleichtern.
Anstatt Asylwerber:innen pauschal als potentielle Straftäter oder „Sozialtouristen“ zu verurteilen, sollte ihr Potential und ihre Leistungsbereitschaft eingesetzt werden. Angesichts des Arbeitskräftemangels in vielen Bereichen ist es sinnvoll, Asylsuchenden raschen Zugang zum Arbeitsmarkt, Anerkennung ihrer fachlichen Qualifikation und ggf. entsprechende Aus- und Weiterbildungen zu verschaffen. So entsteht eine Win-Win-Situation sowohl für die Asylsuchenden als auch für die Wirtschaft und die Kommunen.
Eine menschenwürdige Unterbringung und Basisversorgung ist keine unzumutbare Aufgabe. Sinnvoll sind kleine Wohneinheiten mit ausreichendem Betreuungspersonal in Gemeinden. Damit werden Kontakte zur örtlichen Bevölkerung, Arbeitssuche und Integration erleichtert. Auf Kommunalebene zeigen NGOs und private Initiativen seit Jahren, wie das Zusammenleben mit Asylwerber:innen durch entsprechende Angebote an Deutschkursen, Freizeit-, Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten funktioniert.
Dazu bedarf es einer adäquaten Kostendeckung und – angesichts der Inflation – einer Valorisierung der Kostensätze der Grundversorgung für die Hilfsorganisation und privaten Quartiergeber:innen. Gemeinden müssen durch Bund UND Land finanziell und organisatorisch unterstützt werden.
Für diese Gruppe braucht es entsprechende Wohnmöglichkeiten und von Anfang an die Betreuung und rechtliche Vertretung durch die Kinder- und Jugendhilfe. Damit kann das Abgleiten in Drogen und Kriminalität verhindert werden.
Zur Erinnerung: Die Empfehlungen der vor einem Jahr eingesetzten Kindeswohlkommission wurden großteils immer noch nicht umgesetzt. Aber: Kindeswohl steht über dem Fremdenrecht, es darf keine Abschiebungen gut integrierter Kinder und Jugendlicher mehr geben.
Weder ein Bundesland noch ein Staat allein kann die Probleme der Asylpolitik lösen. Doch Zäune, Grenzkontrollen, pushbacks und die Aufweichung der Genfer Flüchtlingskonvention sind eine humanitäre Bankrotterklärung.
Wir erwarten für 2023:
eine Asylpolitik, die sich an Menschenwürde und Menschenrechten orientiert,
eine effiziente und solidarische Zusammenarbeit von Bund und Ländern sowie von Regierung, Hilfsorganisationen und Zivilgesellschaft,
eine Differenzierung zwischen Flüchtlings- und Migrationspolitik,
eine strukturierte Einwanderungspolitik, die es Menschen ermöglicht, beruflich und gesellschaftlich in unserem Land Fuß zu fassen,
ein zeitgemäßes Staatsbürgerschaftsgesetz, das die Einbürgerung und damit die politische Teilhabe für Migrant:innen erleichtert, die in unserem Bundesland, in unseren Gemeinden arbeiten und Steuern bezahlen.
Auch für sie und für Asylwerber:innen, die Schutz und humanitäre Hilfe benötigen, sollte das Motto gelten: „MITEINANDER“.
Evelyn Hödl
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen .