Freiheit, Leistung Sicherheit?
Bedrückend daran ist, dass ein junger Mensch mit einer derartigen mitmenschlichen Kälte es bis in die höchsten Gremien einer sich als christlich-sozial definierenden Regierungspartei schaffen konnte. Noch bedrückender ist, dass sie für ihre nicht sehr fundierten Äußerungen dort auch noch einige Zustimmung finden konnte. Sagte sie doch sinngemäß, dass durch die Koalition mit den Grünen der ÖVP deren Grundwerte, die da wären Freiheit – Leistung – Sicherheit verloren gingen.
Ich nehme an, dass sie damit auf die Grundsätze der Französischen Revolution, Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit anspielen wollte, die ja Grundlage der allgemeingültigen Menschenrechte wurden. Sie hat im Sinne der Neoliberalen Umgestaltung dieses Wertekanons die Gleichheit durch Leistung und die Brüderlichkeit (besser Geschwisterlichkeit) durch Sicherheit ersetzt. Nur die Freiheit durfte bleiben, aber die kann man ja, je nach Welt- und Menschenbild sehr vielfältig interpretieren.
Es stellen sich mir dazu viele grundsätzliche Fragen.
Welcher Wert ist Leistung? Ich habe sie immer für eine Sekundärtugend gehalten und ist Sicherheit nicht eher ein Zustand als ein Wert? Es erscheint mir tragisch, dass eine junge Frau glaubt, sich in nichtssagende Worthülsen flüchten zu müssen, um ihr politisches Engagement zu rechtfertigen. Aber vielleicht sollte man ihr ihre Jugend zugutehalten – Lebenserfahrung lässt sich durch Vitalität nicht ersetzen.
Die nächste Frage wäre, welche Freiheit, welche Leistung und welche Sicherheit meint sie und all jene, die diese Floskel für den Wertekanon der ÖVP halten – denn Laura Sachslehner ist mit ihrer Ansicht sicher nicht allein, sonst wäre sie in der Partei nicht in so jungen Jahren so hoch hinaufgekommen.
Über Freiheit haben sich schon viele kluge Köpfe Gedanken gemacht und es besteht allgemeiner Konsens, dass sie dort endet, wo die Freiheit anderer gefährdet ist. Was es heißt, die Freiheit von ihren Geschwistern Gleichheit und Geschwisterlichkeit zu trennen, wird uns in Corona Zeiten deutlich vor Augen geführt, das Ausleben individueller Freiheit führt sehr rasch zu unsolidarischem Verhalten. Unter dem Deckmantel der Gedankenfreiheit werden in sozialen Medien hasserfüllte und menschenverachtende Botschaften versandt.
Freiheitskämpfer werden je nach politischem Standpunkt zu Helden oder zu Terroristen. Die Freiheit, seine Meinung ungestraft sagen zu können, hilft jenen Menschen nichts, die zusehen müssen, wie ihre Kinder an Hunger sterben, weil sie nicht die Freiheit haben, sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Es ist also beim Benutzen des Wortes Freiheit immer dazu zu sagen, welche Freiheit wir meinen.
Ja, und die Leistung – ich finde, sie ist eines der missbrauchtesten Wörter. Aber gerade in Corona-Zeiten müsste sich herausgestellt haben, wer die Leistungsträgerinnen in unserer Gesellschaft sind. Es sind jene Menschen, die dazu beitragen, das Gemeinwohl zu fördern und ganz sicher nicht jene, die ihre Fähigkeiten vorwiegend dazu benutzen, sich individuell zu bereichern. Eine alte Frau, die ihren kranken Mann pflegt, leistet enormes und entlastet auch das Budget, aber wie wird es ihr vergolten? Ein Immobilien-„Entwickler“ leistet für seinen eigenen Vermögensaufbau sehr viel, aber gesamtgesellschaftlich richtet er wegen seiner Gewinnmaximierungsstrategie großen Schaden an. Wenn wir also von Leistung sprechen, dann müssen wir sie zuallererst um- und neu bewerten.
Die nächste Worthülse „Sicherheit“ bekommt in den unsicheren Zeiten, in denen wir leben eine enorme Bedeutung. Derzeit wird sie vor allem militärisch gedacht. Wir müssen unsere nationale Sicherheit mit Waffen verteidigen können. Wir müssen unsere Grenzen vor Zuwanderung sichern. Aber wir erleben derzeit, dass wir vieles nicht wirklich sichern können. Unsere Energieversorgung, unsere Nahrungsmittelversorgung sind abhängig von der Willkür eines Kriegsherrn. Gegen die Folgen des Klimawandels kann uns keine Hagelversicherung schützen. Gegen Realeinkommensverluste wird uns auch die Regierung nicht dauerhaft sichern können. Das einzige, was uns ein wenig absichern kann, ist Solidarität. Die Güter dieser Welt teilen und anders verteilen, würde für alle mehr Sicherheit bringen. Aber davon ist nicht die Rede, wenn engstirnige Personen wie die ehemalige ÖVP-Generalsekretärin das Wort Sicherheit in den Mund nehmen. Sie verstehen darunter Mauern bauen, bewaffnen und um die weniger werdenden Güter einen harten Konkurrenzkampf führen.
Es wäre zu wünschen, dass die Nachfolgerin im Amt der ÖVP Generalsekretärin die Floskeln Freiheit – Leistung – Sicherheit wieder durch die erprobten ursprünglichen Werte Freiheit – Gleichheit – Geschwisterlichkeit ersetzt und diese auch mit zukunftsweisenden Inhalten füllt.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.