Miteinander – füreinander, wer uns zusammenhält
Laut Trainer geht das sehr gut, weil sich die Kinder aus ähnlichen Sprachfamilien gegenseitig helfen und der Sport an sich die Verständigung einfacher macht. Beim Sportfest wird zuerst jenes Fleisch gegrillt, das alle essen können und dann kommt vielleicht auch das Schweinefleisch auf den Rost. So stelle ich mir Integration vor. Die Arbeit, die dieser Trainer leistet, ist im wahrsten Sinn unbezahlt, weil unbezahlbar und es war gut, dass er wenigstens einmal vor den Vorhang geholt wurde.
Dieser Beitrag weckte in mir Erinnerungen an unsere Jugendzeit. Wir Kriegskinder mussten uns in einer Welt zurecht finden, die aus den Fugen geraten war. Orte zu haben, wo wir gemeinsam unbeschwert Kinder sein konnten, waren rar. Aber es gab sie. Vor kurzem fiel mir ein zerfledderter Ausweis mit dem Kinderbild meines Mannes in die Hände. Es war der Mitgliedsausweis Nr. 2 der Wiener Diözesansportgemeinschaft. Da erinnerte ich mich daran, dass mein Mann immer erzählt hat, dass die Pfarrjugend Gumpendorf gemeinsam mit dem Jugendpater in die Operngasse, damals der Ort der Katholischen Jugend, gefahren war, um ihren Sportklub dort anzumelden. Mitglied Nr. eins war der Priester und die weiteren Nummern wurden gelost – mein Mann, damals 12 Jahre alt, zog die Nr. 2. Die Bedeutung, die diese Ausweise für meinen Mann und seine Freunde hatten, kann man gar nicht ermessen. Die Pfarre als Standort des KSV-Gumpendorf wurde zur Heimat von Buben und Mädeln. Tischtennis, Basketball, Jungscharstunden, Sportfeste, Theatergruppe, darum drehte sich das Leben dieser jungen Leute, die zu Hause meist nur Mangel, und oft überlastete und traumatisierte Eltern erlebten.
Das alles war aber nur möglich, weil verständnisvolle Priester sehr viel Verantwortung übergaben und Vertrauen hatten. Die Gruppen wurden von jungen Menschen geleitet, die nur ein paar Jahre älter waren, als die, deren Freizeit sie organisierten. Und weil man derzeit so viel von Professionalität spricht – professionell waren sie auch. Die Basketballmannschaft aus Gumpendorf brachte es sogar bis in die Bundesliga. Dieses System, dass junge Menschen Verantwortung für noch jüngere übernehmen, ist bis jetzt das Prinzip der Katholischen Jungschar und Jugend. In ein paar Wochen werden wieder tausende Kinder den Zauber von Jungscharlagern erleben, von dem viele ein Leben lang zehren.
Das Engagement, die soziale Kompetenz und die Freude an der Gemeinschaft wird von Generation zu Generation weitergetragen. Aber wer spricht über die Bedeutung, die solche Inseln der Solidarität für unsere Gesellschaft haben? Wer unterstützt diese unbezahlbare Ressource? Nicht einmal die Verantwortlichen in der Kirche scheinen zu wissen, welchen Schatz sie da beheimaten. Sonst würden sie alle Kraft in den Aufbau dieser selbstorganisierten Kinder- und Jugendarbeit investieren und auch mehr Geld dafür locker machen. Viele dürften noch nicht realisiert haben, welche Bedeutung diese Schule des Miteinanders und Füreinanders würde unsere Gesellschaft hat. Ja, sie werden es anders machen und wir Älteren werden manches nicht verstehen, aber das war auch in unserer Jugend so, trotzdem hat man uns vertraut.
Ich erinnere mich noch an die Zeit des Jugoslawienkriegs als viele traumatisierte junge Männer bei der Union-Katholische Jugend Gumpendorf durch Basketball wieder ein Stück Normalität erfuhren. Das war allerdings nur möglich, weil ein in der Jugendarbeit erfahrener Trainer diese schwierige Integrationsarbeit leistete, indem er einen Verein ans Österreichern und den verschiedenen jugoslawischen Volksgruppen formte. Damit lernten alle Offenheit und Anpassung. Ich denke es gibt viele, die ungesehen und auch ziemlich unbedankt diese großartige Integrationsleistung vollbrachten.
Bei der Armutskonferenz konnte ich auch von einer betroffenen Frau hören, wie wichtig die LE.O Lebensmittelausgabe an den Pfarren für sie hat. Dort erfahre sie nicht nur materielle Hilfe, sondern auch Information und Zuwendung, alles organisiert von Pfarrmitgliedern.
Aber all diesen Inseln der Solidarität steht in den herrschenden Zeiten der gesellschaftlichen Klimakrisen das Wasser bis zum Hals. Wenn wir sie retten wollen, brauchen wir die Anstrengung und Förderung durch die gesellschaftlich und kirchlich Verantwortlichen und das heißt genau wie in den Nachkriegsjahren, der nächsten Generation zu vertrauen, dass sie es auch ohne paternalistische Beaufsichtigung und Kontrolle schaffen. Vielleicht sollten die Verantwortlichen in den Kirchen und in der Politik sich von jenen, die Kindern aus 31 Herkunftsländern das Fußballspiel beibringen, die Ferienlager organisieren und die den nationalen Ängsten eine weltweiten Perspektive entgegenstellen, beraten lassen, wie Gemeinschaft und Gesellschaft gebildet werden können. Vor allem die Frauen, die noch immer den größten Teil der unbezahlten gesellschaftlich relevanten Arbeit leisten, hätten da viel zu sagen.
Die Voraussetzung dafür, dass die Care-Arbeit, die unsere Gesellschaft zusammenhält, den ihr zustehenden Platz in unser aller Leben bekommt, ist das lustvolle Einüben des Miteinander und Füreinander in Kindheit und Jugend.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.