Politik braucht heute Mut: Die Klimaerhitzung erfordert radikale Änderungen im Wirtschaften.
Ich persönlich bin schon lange gegen den Lobautunnel und den Bau der Stadtstraße.
Es mag vielleicht stimmen, dass es mit dem Lobautunnel kurzfristig eine gewisse Erleichterung in der Stadt und weniger Staus gibt. Aber mittelfristig (und gar nicht so lange) bedeuten mehr Straßen immer mehr Verkehr, das zeigt die schon jahrzehntelange Erfahrung mit Straßenbauten überall in Österreich.
In Wien gibt es den besten öffentlichen Verkehr in ganz Österreich. Wenn ich zum Grab meiner Eltern auf dem Friedhof in Golling an der Erlauf fahre, gibt es am Sonntag vom Bahnhof Pöchlarn nach Golling keinen einzigen Bus. In Wien kann ich Tag und Nacht (unter der Woche durch die Nachtautobusse und am Wochenende auch durch die Nacht-U-Bahn) jeden Ort in Wien mit Öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen.
In der Nacht muss man und frau zwar länger warten, aber immer noch in einer angemessenen Zeit und im Rahmen der Monats- oder Jahreskarte. Und das wird weiter ausgebaut. Wien ist in Sachen Öffis wirklich super!
Zum Umstieg vom Individualverkehr auf den Öffentlichen Verkehr und zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene gibt es angesichts der drohenden, eigentlich schon immer spürbareren Klimaerhitzung keine Alternative. Daher muss die Politik heute den Mut haben, den Menschen ehrlich zu sagen:
Die Klimaerhitzung erfordert radikale Änderungen im Wirtschaften. D.h. jetzt schon Eingriffe ins Wirtschaften, auf Perspektive hin zu einem anderen Wirtschaften und hin zu einer gerechteren Verteilung. Und das bedeutet: einen anderen Lebensstil. Das ist für uns Menschen im Norden angesichts unseres viel größeren ökologischen Fußabdruckes eine sehr unangenehme Wahrheit.
Daher freue ich mich über die vielen jungen Menschen, die sich gegen den Lobautunnel und gegen die Stadtstraße sowie bei den Fridays for Future engagieren, die sich für den Schutz der Umwelt / Mitwelt / die Bewahrung der Schöpfung engagieren. Das Setzen auf Straßenbau, Autos und LKWs ist jetzt schon ein Weg in die Sackgasse - und wird immer mehr zur Sackgasse.
Ich kann mich noch gut erinnern, welche Streitigkeiten es INNERHALB der SPÖ um das AKW Zwentendorf gegeben hat. Heute ist fast niemand in der ArbeiterInnenbewegung mehr für AKWs, auch wenn es die AKW-Lobby in Österreich und in der EU umdrehen möchte. ArbeiterInnenbewegung und Umweltbewegung, Rot und Grün, auch SozialistInnen/SozialdemokratInnen und Grüne sind für mich natürliche Geschwister, weil der Kampf gegen die Ausbeutung der ArbeiterInnen und gegen die Ausbeutung der Natur zusammengehören.
Fred Sinowatz hat nach der schweren Auseinandersetzung in der Hainburger Au sich mit den Au-BesetzerInnen zusammengesetzt und den „Weihnachtsfrieden“ ausgerufen. Heute freuen sich alle über den Nationalpark Donauauen. Es wäre so schön gewesen, wenn die SPÖ Wien die OrganisatorInnen der Demo gegen den Parteitag zum Parteitag eingeladen hätte und sie auf dem Parteitag ihre Ansichten darstellen lassen.
Leider war es diesmal noch nicht so weit. Aber es ist noch nicht zu spät für einen ehrlichen Dialog und auch für ein Umdenken bei uns in der Sozialdemokratie. „Das schönste Rot ist Grün!“, sagte Günther Nenning schon vor Jahrzehnten und ich bin heute noch immer glücklich, ihn persönlich kennen gelernt zu haben.
Alois Reisenbichler, 28.3.22
Alois Reisenbichlerarbeitet als Interviewer in der Markt- und Meinungsforschung und ist bei Pax Christi Wien und der Wiener Friedensbewegung sowie in der ACUS - Arbeitsgemeinschaft für Christentum und Sozialdemokratie aktiv. Er hat 2011 den „Papst Leo Preis“ für besondere Verdienste um die Katholische Soziallehre erhalten.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.