Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen und die Vernichtung von Lebensräumen in diesem Jahrzehnt das Ausmaß haben werden, das aktuelle Prognosen als wahrscheinlich darstellen, dann werden unsere Ökosysteme binnen weniger Jahre in einem solchen Ausmaß aus dem Gleichgewicht geraten, dass Milliarden Menschen von Naturkatastrophen, Verarmung, Hunger, Flucht und Ressourcenkriegen betroffen sein werden.
Der Klimakollaps ist keine Herausforderung der Zukunft, sondern eine reale Gefahr der Gegenwart und hat das Potential, humanitäre Katastrophen unvorstellbaren Ausmaßes mit sich zu bringen. Allerdings: Wenn – und nur wenn – der Ausstoß von Treibhausgasen und die Vernichtung von Lebensräumen in diesem Jahrzehnt das Ausmaß haben werden, das aktuelle Prognosen als wahrscheinlich darstellen.
Noch haben wir eine Chance, einen großen Teil unserer Ökosysteme gesund zu erhalten und die Erderhitzung auf ein Ausmaß zu beschränken, das mit klugen Anpassungsmaßnahmen ausgeglichen werden kann. Noch haben wir eine Chance, unsere Gesellschaften sozial gerecht und ökologisch nachhaltig umzugestalten. Es gibt dafür sowohl eine wissenschaftliche Grundlage als auch das nötige technische und wirtschaftspolitische Handwerkszeug.
Was fehlt, ist der politische Wille. Die machthabenden Politiker:innen handeln immer noch gemäß dem Paradigma des grenzenlosen Wachstums – wohl wissend, dass wir damit die Belastungsgrenzen unserer Ökosysteme weit überschreiten. Und es scheint kein Einsehen zu geben: Die Wissenschaft warnt seit Jahrzehnten vor der drohenden Katastrophe, doch kurzfristige machtpolitische Interessen galten stets als wichtiger.
Noch kurz vor ihrem Abdanken hat etwa Angela Merkel gesagt, Umweltschutz hätte sie nicht zum großen Thema gemacht, weil sich damit keine Mehrheiten gewinnen ließen. Zivilgesellschaftlicher Protest, der gerade in den letzten Jahren immer lauter geworden ist, stößt auf taube Ohren. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig etwa hat, kurz nach der Präsentation seiner Greenwashing-Kampagne "Klimamusterstadt 2040 [sic!]", ein Protestcamp von Klimaaktivist:innen brutal räumen lassen, um sein Autobahnprojekt durchdrücken zu können.
Und selbst auf den verheerenden Krieg in der Ukraine, der zu einem großen Teil mit europäischen Öl- und Gasrechnungen finanziert wird, hat unsere Bundesregierung nicht etwa mit einem sofortigen Einkaufsstopp und sozial gerechten Rationierungen der Reserven reagiert. Sondern zunächst damit, die russischen Lieferungen fürs erste zu sichern und mittelfristig den Import von Flüssiggas aus den Golfstaaten voranzutreiben – und damit Regimes zu finanzieren, die genauso menschenrechtsverletzend agieren wie das russische und etwa im Jemen seit Jahren einen schrecklichen Krieg befeuern, nur eben weitgehend unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Unsere Regierungen handeln unbeirrt weiterhin nach dem Paradigma des ewigen Wirtschaftswachstums, und solange das der Fall ist, wird außer Greenwashing und zahnlosen Kompensationsmaßnahmen nichts in Richtung Klimaschutz von ihnen zu erwarten sein.
Was also sollen wir tun, angesichts dessen, dass eine lebenswerte Zukunft nur möglich ist, wenn rasch konsequente Schritte gesetzt werden in eine ganz andere Richtung als die bisher angepeilte, und wenn unsere Politiker:innen keine Anstalten machen, diese Schritte zu setzen? Nun, man kann den Mut und die Hoffnung verlieren und sich ins – noch – halbwegs heile Privatleben zurückziehen, wie es derzeit so viele Menschen tun.
Als Christ:innen aber sollten wir uns einem anderen Anspruch stellen. Ist nicht jenes Wort aus Matthäus 5,14.16 eines der am meisten zitierten im katholischen Glaubensleben unserer Zeit: "Ihr seid das Licht der Welt. […] So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen."? Nehmen wir es uns zu Herzen, auch wenn es gerade unbequem ist. Jetzt ist nicht die Zeit dafür, sich ins Private zurückzuziehen.
Es ist jetzt die Zeit dafür, mutig zu sein, nicht länger einfach mitzuspielen in einem System, das unsere Lebensgrundlagen zerstört, das unzählige Menschen ins Elend stürzt und noch unzählige mehr ins Elend stürzen wird, es ist jetzt die Zeit dafür, "Licht der Welt" zu sein. Es ist jetzt auch nicht die Zeit dafür, den Schaden, den wir im Großen anrichten, im Kleinen ausgleichen zu wollen, wie wir es in der katholischen Kirche allzu oft versuchen.
Plakativ gesagt: Es geht nicht darum, jetzt einen Apfelbaum zu pflanzen, sondern darum, die Lobau zu retten. Wir dürfen, theologisch gesprochen, hoffen, dass das möglich ist, dass Gott das Seine dazu tun wird, wenn wir das Unsere tun. Aber das Unsere tun, das müssen wir. Und weil es nicht an der wissenschaftlichen Grundlage oder an den technischen Möglichkeiten mangelt, sondern am politischen Willen, sollten wir es uns zur Aufgabe machen, zu dieser Willensbildung aktiv beizutragen.
Seien wir politisch!
Unsere Gesellschaften könnten auch ganz anders aussehen, friedlich, sozial gerecht, ökologisch nachhaltig. Viele von uns leben das im Kleinen, in Familien, Freund*innenkreisen und Gemeinden. Wir gehen oft gut miteinander um in diesen Kreisen, achten aufeinander und auf unsere gemeinsamen Ressourcen, kümmern uns umeinander, und auch, wenn nicht immer alles perfekt läuft und nicht immer alle einander beste Freund*innen sind, so leben wir doch unsere Vorstellungen von einer besseren Welt.
Stellen wir dieses unser Licht nicht unter den Scheffel! Am 25. März ist weltweiter Klimastreik. Dort hinzugehen ist ein wichtiger erster Schritt, doch das wird nicht reichen. Wollen wir Zerstörung verhindern, müssen wir uns ihr aktiv in den Weg stellen.
Als am 8. März die allermeisten Klimaaktivist:innen solidarisch auf Demonstrationen zum Internationalen Frauentag waren, wurden unerwartet die letzten Bäume von Hirschstetten gerodet, um der geplanten Stadtautobahn Platz zu machen. Spontan ist eine Aktivistin in einen der Bäume geklettert, um die Rodung zu verhindern. Dieser Baum ist als einziger stehen geblieben. Was könnten wir nicht alles erreichen, wenn mehr Menschen diesen Mut hätten!
Mag. Anna Kontriner MA hat in Wien Philosophie und Katholische Theologie studiert. Sie arbeitet als freie Lektorin und ist in der LobauBleibt-Bewegung aktiv.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.