Wie wir sprechen
Es geht so weit, dass wir englische Wörter deutsch deklinieren wie z.B. „ich habe dir gemailt“. Wir bezeichnen diese häufige Anwendung als „Denglisch“. Vor allem die digitale Welt kennt nur das Englische und jedes kleine Kind kann damit umgehen, überall auf der Welt – Überall? Nein, es gibt ein gallisches Dorf, in dem man sich gegen das Englische wehrt, auch wenn es dafür keine deutschen Wörter gibt. Es ist nicht verwunderlich, dass es sich dabei um Wörter handelt, die eher in weiblichen Lebenszusammenhängen benutzt werden. Am augenscheinlichsten dafür ist die Abwehr gegen die Wörter „Care“ und „Gender“.
Care bezeichnet alle Tätigkeiten die sich sorgend um Menschen kümmern – von der pflegenden Ehefrau bis zur Gymnasiallehrerin. Das ist ein weites Feld und kann mit „Sorgearbeit“ und „Sorgeökonomie“ in keiner Weise abgedeckt werden, also müssen wir, um diese Tätigkeiten in ihrer ganzen Fülle zu bezeichnen, auf das englische Wort „Care“ zurückgreifen.
Im Englischen gibt es zwei Wörter für „Geschlecht“. „Sex“ bedeutet das biologische Geschlecht und „Gender“ das soziale – soll heißen, was für uns persönlich und gesellschaftlich darauf folgt, dass wir weibliche und männliche Geschlechtsorgane haben. Für Katholiken ist das leicht verständlich zu machen – als mit weiblichen Geschlechtsorganen ausgestatteter Mensch kann ich z.B. nicht katholischer Priester sein. Aber es gibt natürlich für Frauen und Männer viel mehr und wesentlichere soziale Folgen. Wenn ich also von dieser sozialen Komponente des Geschlechts spreche, muss ich das englische Wort „gender“ verwenden, weil wir im Deutschen anscheinend weniger Problembewusstsein und deshalb auch kein Wort dafür haben.
Jedes Mal wenn ich von Care-Arbeit und Care-Ökonomie spreche, werde ich aufgefordert, ein deutsches Wort zu verwenden, weil „Care“ niemand verstünde. Ist „homepage“ und „browser“ so viel leichter zu verstehen? Dafür gibt es auch kein deutsches Wort und sie werden von allen widerstandslos akzeptiert – wieso diese Abwehr gegen „Care“ und „Gender“?
Leider muss ich feststellen, dass es sehr oft Frauen sind, die sich gegen die Verwendung dieser Wörter stellen. Eine Vermutung von mir ist, dass sie sich und ihre Arbeitsfelder damit klein machen. Ein englisches Wort für die Alltagstätigkeiten? Das ist doch arrogant und das verstehen die einfachen Menschen nicht, wird argumentiert. Pincode und Chat und App allerdings wird ihnen ohne Frage zugemutet. Solange wir Frauen nicht selbstbewusst für alle Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, wie das Versorgen, Betreuen, Bilden, Putzen und Pflegen, das zusammenfassende Wort „Care“ verwenden, kann man die zentrale Bedeutung dieser Tätigkeiten nicht vermitteln.
Ohne Care-Arbeit kann unsere Gesellschaft nicht funktionieren und die Care-Ökonomie ist die Voraussetzung für alle anderen Wirtschaftsformen. Wenn wir das gute Leben für alle Menschen als Ziel politischen und gesellschaftlichen Handeln sehen, muss die Care-Arbeit als Herz aller menschlichen Tätigkeiten ins Zentrum gestellt und auch so bezeichnet werden, denn ohne sie geht gar nichts.
Um das allerdings in die Praxis umsetzen zu können, braucht es einen „gender-Blick“, der besagt: Nein, Frauen sind nicht die geborenen Pflegerinnen, Erzieherinnen, Betreuerinnen und Putzfrauen – Männer können das ganz genauso. Und Frauen können mindestens so gut wie Männer in allen anderen Wirtschaftsbereichen tätig sein. Das hängt nicht vom biologischen Geschlecht ab, sondern von den sozialen Voraussetzungen und Folgerungen. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass alle staatlichen Verordnungen und Gesetze auf ihre Auswirkungen auf Frauen und Männer getrennt geprüft werden, also einem „Gender-mainstreaming“ unterworfen sind. Das scheint allerdings geduldiges Papier zu sein, solange sich sogar Frauen nicht über die Wichtigkeit dieses Ansatzes bewusst sind. Ob die Körperschaftssteuer gesenkt wird, oder Pflegeeinrichtungen gefördert, hat ganz unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer. Auch in den Gemeinden ist es nicht egal, ob der Fußballplatz oder der Kindergarten renoviert werden. Gender ist also kein hochgestochener Begriff von ein paar Spinnern, sondern gendersensibles Verhalten erleichtert das Leben besonders für benachteiligte Frauen weltweit. Es gibt natürlich immer wieder Menschen, – vorwiegend Männer – die bei einer größeren Beachtung des Gender-Aspektes etwas zu verlieren haben. Solange es diesen gelingt, dieses Wort abzuwerten und als intellektuelle Spielerei abzutun, wird sich die notwendige Verschiebung zu mehr Gerechtigkeit, mehr Klimaschutz und insgesamt zu einer lebenswerteren Welt für uns alle, nicht machen lassen.
Ein Appell an alle Menschen guten Willens: verwendet die Worte „Care“ und „Gender“ so viel wie möglich, damit sie uns ähnlich geläufig und allgemein akzeptiert werden, wie Laptop und Facebook.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.