Empörung 2. Teil
Empörendes zum Beginn des neuen Arbeitsjahres
Es herbstelt – das erkennen politisch interessierte Menschen zuallererst an den diversen Sommergesprächen unserer politisch Verantwortlichen. In anheimelndem Ambiente werden da Belanglosigkeiten kundgetan und Imagepflege betrieben. Der Meister dieses Genres ist unser Kanzler. Er offenbart uns da sein verschrobenes Familienbild – er hat keine Zeit für Vaterkarenz, da für das Wohl Österreichs zuständig, aber es gibt ja Omas und Opas, die sich freuen und außerdem schaffen das Millionen Familien (sprich Frauen) ja auch – ist also alles kein Problem. So sieht für ihn Partnerschaft aus – aber das wussten wir ja schon vorher. Nicht dass wir uns erwarten, dass Kanzler ihre Rolle als Väter ernst nehmen und sich Auszeit nehmen – Regierungschefinnen tun das übrigens sehr wohl und die betreffenden Länder gehen auch nicht vor die Hunde - aber eine differenziertere und weniger altvatrische Ausdrucksweise wäre da schon wünschenswert, noch dazu von einem Regierungschef, der so gerne seine Modernität zur Schau stellt. Die zeigt sich allerdings nicht in Slim-Fit Firmlingsanzügen, ein wenig Wissen um gesellschaftliche Veränderungen wäre angebracht.
Aber der Kanzler sagte noch wesentlich bedenklicheres. Angesichts der fürchterlichen Lage in Afghanistan, gerade für Menschen, die sich unseren „westlichen Werten“ verpflichtet fühlen, ist die absolute Weigerung, einige davon bei uns aufzunehmen, menschenverachtend brutal. Die ewige Leier 2015 darf sich nicht wiederholen, sollte mal ganz konkret hinterfragt werden. Was darf sich nicht wiederholen? Dass Menschen aus Kriegsgebieten und vor Hungersnöten in Flüchtlingsquartieren fliehen? Dass ganz wenige von diesen es bis über unsere Grenzen schaffen? Denn Millionen blieben „vor Ort“ wie es sich unser Kanzler wünscht. Dass eine enorme Welle der Hilfsbereitschaft die Menschen in unserem Land erfasste? Ja, viele fühlten sich überfordert von den vielen fremden jungen Männern, die in unseren Städten sichtbar wurden, allerdings nicht auf dem Land, wo sich die Menschen ganz besonders vor ihnen fürchten. Aber sechs Jahre danach sind unsere Märkte, Supermärkte, Gastronomiebetriebe usw. ohne die Zuwanderer kaum denkbar. Dass bei einer solch großen Wanderungsbewegung auch kriminelle und durch die prekäre Lage kriminell gewordene Personen dabei sind, dass auch manche nicht anpassungsfähig und anpassungswillig sind, ist nicht zu negieren. Eine reife Gesellschaft wird damit fertig, genauso wie sie mit den kriminellen „autochthonen“ Österreichern fertig wird. Die Tötung eines 13jährigen Mädchens durch afghanische Asylwerbende ist ein schreckliches Signal dafür, dass da manches schiefläuft, aber kein Signal, Hilfesuchende abzuweisen.
Kurz lehnt jede „freiwillige“ Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan strikt ab – als ob uns jemand zwingen könnte. Damit nimmt er den wild um sich rudernden FPÖ Chef den Wind aus den Segeln, der sich nun auf die Freiheitsberaubung durch Impfen fokussieren muss. Das einzig auf Stimmenmaximierung ausgerichtete Kalkül dieser beiden Herren ist bedrückend. Es geht um die Stimmen jenes Teils der Bevölkerung, der sich an täuschende Sicherheiten klammert, weil sie Ungewissheiten nicht aushalten. Statt auch für diese Menschen Hoffnungsszenarien zu entwickeln und die gemeinwohlorientierte Seite in ihnen wachzurufen, werden sie in ihrer eigen- und mieselsüchtigen Haltung bestärkt, nur um sie bei der Stange zu halten.
Die größte Empörung rief in mir allerdings hervor, dass Kurz in einem Sommergespräch Bruno Kreisky als sein politisches Vorbild nannte. Es genügt ihm nicht mehr, im FPÖ-Milieu zu grasen, nein, auch die enttäuschten SPÖ-Wählenden, für die die Kreisky Ära eine wirkliche Befreiung war, will er seiner Herde einverleiben - und da ist ihm keine Volte zu schade.
Als eine, die Bruno Kreisky nie gewählt hat, sehe ich mich dennoch berufen, ihn von einem solchen Missbrauch in Schutz zu nehmen. Er war Sohn einer großbürgerlichen Familie und fand er seine politische Heimat in der Sozialdemokratie, weil er sich ganz bewusst auf die Seite der benachteiligten Menschen stellte – schon das unterscheidet ihn von den Vermögens - Fetischisten in der Neuen Volkspartei. Er hat Verfolgung und Flucht erlebt und ist dennoch nach Österreich zurückgekehrt, er hatte Erfahrung mit den Freuden und Sorgen einer Familie und er liebte die Menschen. Er hat die Türen weit geöffnet und dieses damals noch sehr verstaubte Österreich ordentlich durchgelüftet. Aber natürlich hatte er auch seine Schattenseiten – aber die waren ihm sehr bewusst. Deshalb nannte er als für sich selber gültig, das Zitat von Conrad Ferdinand Meyer: „Ich bin kein ausgeklügelt Buch, sondern ein Mensch mit seinem Widerspruch.“ Und Widersprüche barg ein so gebildeter und welterfahrener Mensch viele. Er hat sich der Palästinenser angenommen und die Auswanderung jüdischer Russen nach Israel organisiert. Er hat mit Willi Brandt und Olof Palme an einem neuen, weltoffenen Europa gearbeitet und geholfen, Feindbilder abzubauen – dennoch hat er sich in seinem Kampf gegen Simon Wiesenthal total verrannt. Wobei ich als Zeitzeugin sagen muss, dass auch mich die einseitige Anschuldigungen Wiesenthals gegenüber der SPÖ nahestehenden Altnazis und dessen Blindheit gegenüber den der ÖVP nahen Belasteten, störte. Das rechtfertigte aber in keiner Weise Kreiskys Exzesse gegenüber Wiesenthal – da waren tiefere Bewusstseinsschichten im Spiel.
Wenn nun Sebastian Kurz diesen Kreisky als politisches Vorbild nennt, dann zeugt das einzig und allein von dessen Überheblichkeit, seinem Mangel an politischer Bildung und einem primitiven Stimmenmaximierungs-Kalkül – und eines muss gesagt sein, neben Kreisky wäre dieser Kurz als das erschienen, was er ist: „ein äußerst begabter „Flachwurzler“.
Empörende Parteitagsshows
Seit dem SP-Parteitag ist es still um Pamela Rendy-Wagner geworden – die Ohrfeige saß! Jene Frau, der ihre Parteikollegen genüsslich dabei zusahen, wie sie als Anfängerin in etliche Fettnäpfchen trat und in ihrer Überforderung öfters stolperte, wobei da von Parteifreunden eifrig nachgeholfen wurde, bekam am Parteitag nur ¾ der Stimmen. Das Perfide daran, es wurde laut keine Kritik geäußert und feige die geheime Abstimmung genutzt, um ihr eins auszuwischen. Sie, die einsprang, weil sich der strahlende Parteivorsitzende für das mühsame Oppositionsamt zu gut war, muss die Frustrationen einer orientierungslos gewordenen Partei ausbaden. Dabei hat sie durchaus ihre Qualitäten, wie sie in der Corona-Krise bewies, aber da ist niemand, der sie solidarisch stärkt und stützt, aber auch niemand, der sich hinstellt und sagt – ich mach das besser, also wählt mich. Mehr Selbstzerstörung kann eine ehemals „staatstragende“ Partei nicht liefern.
Im ORF Sommergespräch war dann auch ihre größte Sorge, nur ja nichts falsch zu machen, deutlich sichtbar und damit war eben der ganze Auftritt ein wenig falsch. Das wurde von den oberg’scheiten Analysierenden auch weidlich ausgenutzt, die ja in Kurz-Manier auch nichts anderes mit ihren Medienauftritten bezwecken wollen, als besonders gescheit und kritisch dazustehen. So wird politische Kultur kaputtgemacht, denn für die Zusehenden bleiben nicht politische Inhalte sondern unsicher vorgeschobene Unterkiefer als zu kritisierende Fakten über.
Ganz anders hingegen die Show, die die Neue Volkspartei abzog. Da fehlte nichts auf ihrem Jubelparteitag – außer vielleicht die Politik. Mehr als 500 Delegierte entblödeten sich nicht, ohne Diskussion einen Leitantrag der Parteiführung einstimmig abzunicken, der ein Schariaverbot vorsieht (was immer damit gemeint ist), den Handel mit Welpen und kleinen Katzen regulieren möchte, Sozialleistungen an Integration (wie immer die gemessen wird) knüpft, egal wieviel von den Betroffenen in dieses System eingezahlt wurde.
Da saßen sie nun in der ersten Reihe, die ehemaligen Parteivorsitzenden, die Landeshauptleute und alle anderen führenden Köpfe dieser Partei und bejubelten in Sowjetmanier den jungen Mann, der ihnen das gebracht hat, was sichtlich am wichtigsten für sie ist – die Stimmenmehrheit im Land. Dieser spielte gekonnt auf der Klaviatur des Jörg Haider „Sie sind gegen mich, weil ich für euch bin“, inszenierte sich als Opfer, desavouierte ganz nebenbei den Koalitionspartner und blieb seiner Rolle als auf einem Auto sitzender Geilomobilist treu.
Okay, soll er, aber dass niemand in dieser einst staatstragenden Partei den Mumm hat, dagegen zu halten und dass ein solches Verhalten mehrheitsfähig ist, das ist es, was mich empört.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.