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Deutschland Neonazi-Aufmarsch

„Ganze Gruppen fliegen zu Demonstrationen nach Deutschland“

Auseinandersetzungen bei Neonazi-Demo in Dortmund

Rund 600 Rechtsextremisten sind durch Dortmund gezogen, um unter dem Motto „Europa Erwache! Unser Europa ist nicht ihre Union“ zu demonstrieren. Zugleich versammelten sich Tausende Gegendemonstranten. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Linksautonomen und der Polizei.

Quelle: WELT/ Christin Brauer

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In Dortmund demonstrieren Neonazis aus ganz Europa gegen Liberalismus und Globalisierung. Neu ist die Zusammenarbeit der Rechtsextremen über die Ländergrenzen hinweg nicht. Trotzdem gewinnt sie an Bedeutung.

Wenn überzeugte Neonazis aus ganz Europa zusammen demonstrieren, kann das schnell zu Missverständnissen führen. Das zeigte sich in Dortmund, wo rund 600 Rechtsradikale, organisiert von der rechtsextremen Splitterpartei Die Rechte, unter der Parole „Europa erwache“ durch die Stadt zogen. Die Demonstration war erst wenige Hundert Meter nach ihrem Start am Dortmunder Hauptbahnhof am U-Turm, einem der Wahrzeichen der Stadt, angekommen, als eine Durchsage aus dem Lautsprecherwagen der Demonstranten kam: „Könnt ihr bitte aufhören, ‚Ausländer raus‘ zu rufen?“ Das sei durch die Auflagen der Polizei verboten worden. „Und wir wollen keinen Ärger.“

Wenn Rechtsextreme „Ausländer raus“ auf einer Demonstration rufen, bei der viele Teilnehmer aus dem Ausland kommen, zeigt das: Die internationale Zusammenarbeit der Neonazis ist nicht immer ganz einfach. Dass Rechtsradikale aus Russland, Bulgarien, den Niederlanden oder Ungarn gemeinsam mit deutschen Neonazis marschieren, ist nicht neu.

Aber die Zusammenarbeit hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt: „Das hat zum Teil auch den Grund, dass Reisen billiger geworden sind. Heute fliegen ganze Gruppen zu Demonstrationen nach Spanien, Bulgarien oder Deutschland, während das früher nur ein oder zwei Vertreter waren“, sagt Fabian Virchow, Rechtsextremismusforscher an der Hochschule Düsseldorf. Gleichzeitig sprächen heute viele osteuropäische Neonazis Englisch, sodass die Verständigung einfacher geworden sei.

Auch deutsche Neonazis schätzen die Fahrten zu ihren internationalen Kameraden – vor allem nach Russland: Dort können sie mit einer Hakenkreuzbinde unbehelligt durch die Straßen ziehen und sich mit dem Hitlergruß begrüßen. Im Ausland geht auch, was im dicht bewohnten Deutschland schwierig ist: Auf eine Anfrage von Abgeordneten der Linkspartei teilte die Bundesregierung im vergangenen Juli mit, dass die Sicherheitsdienste von 18 Fällen zwischen Januar 2015 und Juni 2017 wüssten, bei denen deutsche Neonazis im Ausland mit Waffen trainierten.

In welchen Ländern diese Schießübungen stattfanden, teilte die Bundesregierung nicht mit. Man wolle keine laufenden Ermittlungen gefährden und müsse auf ausländische Geheimdienste Rücksicht nehmen, von denen man diese Informationen erhalten habe, hieß es damals.

Doch was bringt Rechtsradikale, deren Großväter sich in Weltkriegen gegenseitig bekämpften und töteten, dazu zu kooperieren? Es sei der gemeinsame Feind, sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes in Wien: „Der Liberalismus und die ‚Globalisierer‘ sind in ihren Augen die Gegner, die sie vernichten wollen.“ Was einst an Feindschaft zwischen den verschiedenen Gruppen bestanden habe, sei in den Hintergrund getreten. „Nun wird Europa, ein nach Ansicht der Rechtsradikalen ‚weißer‘ und ‚arischer‘ Kontinent, verteidigt.“

Dieses Bild Europas gehe auf die Zeit nach der Schlacht von Stalingrad 1943 zurück. „Damals änderten die Nazis ihre Propaganda. Im Angesicht der drohenden Niederlage ging es nicht mehr um die Eroberung anderer Länder, sondern um die Verteidigung Europas.“ Was damals in der Propaganda Kommunisten und Asiaten waren, seien heute Liberale und Anhänger der Globalisierung.

Wirkung nach innen und nach außen

Für die rechte Szene seien Demonstrationen wie in Dortmund wichtig: „Sie haben für die Rechtsextremisten eine große Bedeutung“, sagt der Fachjournalist Felix Steiner. „Vor allem aber wirken sie nach innen: Demonstrationen bestärken sie im Zusammenhalt und sind bei einer gewissen Größe eine Machtdemonstration.“ Bei einem überregionalen Charakter erhöhe sich die Bedeutung der Veranstalter, da die Szene ihre internationalen Kontakte nach außen präsentiere.

In Dortmund waren sich die Rechtsextremen einig, wer die Nationen Europas gefährdeten. Mehrere Redner sprachen von der Investmentbank Goldman Sachs und „geheimen, dunklen Mächten“, womit offenbar der antisemitische Mythos einer „jüdischen Weltverschwörung“ gemeint war. Das auf einem Lautsprecherwagen ein großes Transparent mit dem Konterfei des ehemaligen iranischen Präsidenten und Holocaust-Leugners Mahmud Ahmadinedschad zu sehen war, passte ins Bild.

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Nie wieder dürften Weiße aufeinander schießen, sagte ein russischer Redner und forderte, die Völker Europas müssten gegen den „gemeinsamen Feind“ zusammenstehen. Als er Johann Wolfgang von Goethe, Alexander Puschkin, Friedrich Händel und Leo Tolstoi als die „kulturellen Wurzeln“ Europas bezeichnete, schauten viele im Publikum ein wenig verdutzt. Offenbar waren ihnen die Namen nicht geläufig.

Die rechtspopulistische AfD kam bei den Rednern übrigens nicht gut weg. Auch wenn es zahlreiche Kontakte von Mitarbeitern der AfD-Bundestagsfraktion in die rechte Szene gibt, wurde die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel von einem norwegischen Redner als Vertreterin von Goldman Sachs beschimpft. Die wahre nationale Opposition in Deutschland sei Die Rechte und die NPD.

Die NPD jedoch enttäuschte die Demonstranten: Der als Stargast angekündigte NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt sagte kurzfristig ab und sprach nicht, wie vorgesehen, auf der Abschlusskundgebung auf dem Sonnenplatz im Kreuzviertel. Den erreichten die Neonazis nach einem dreistündigen Marsch, der sie an zahlreichen Gegendemonstranten vorbeiführte.

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