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G20-Treffen in Baden-Baden Gruppentherapie mit Amerikanern

Der US-Finanzminister verhindert eine Absage an den Protektionismus, afrikanische Amtskollegen hoffen auf mehr Handel: Das G20-Treffen zeigt, dass die Welt unter Donald Trump auch wirtschaftlich nicht mehr dieselbe ist.
Gruppenbild der G20-Finanzminister in Baden-Baden, 17. März 2017

Gruppenbild der G20-Finanzminister in Baden-Baden, 17. März 2017

Foto: KAI PFAFFENBACH/ REUTERS

Als die Rede auf Donald Trump kommt, muss Amadou Ba grinsen. "Natürlich leben wir in einer immer offeneren Welt", sagt der Finanzminister des Senegal. Deshalb werde es "sehr, sehr, sehr, sehr, sehr schwierig", sich wieder abzuschotten.

Genau dieses Vorhaben jedoch verfolgt die Regierung Trump offenbar weiterhin. Nach Angela Merkels durchwachsenem Antrittsbesuch in Washington hat das nun auch das Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankchefs in Baden-Baden gezeigt.

Lange wurde dort darum gerungen, ob sich die führenden Industrie- und Schwellenländer wie in der Vergangenheit für offene Märkte und gegen Protektionismus aussprechen. Am Ende aber setzten sich die Amerikaner durch: Die Abschlusserklärung enthält lediglich das komplett vage Bekenntnis, "den Beitrag von Handel zu unseren Volkswirtschaften zu stärken". Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versuchte erst gar nicht, dies schönzureden. Man habe sich "auf Formulierungen verständigt, die in der Sache nicht viel weiterführend sind - wenn überhaupt", sagte er nach Abschluss des Treffens.

Was bei all der Aufregung um den protektionistischen Kurs der USA leicht in Vergessenheit gerät: Im Gegensatz zu Trump wünschen sich viele Länder mehr Vernetzung mit dem Rest der Welt. Das gilt besonders für den afrikanischen Kontinent, der innerhalb der G20 nur durch Südafrika vertreten wird und bislang nur etwa zwei Prozent des Welthandels ausmacht.

Deshalb sitzt Ba nun in der holzlastigen Bauernstube eines Hotels in Baden-Baden und erzählt vom "Compact with Africa". Das Projekt der deutschen G20-Präsidentschaft soll private Investitionen in vorerst fünf afrikanischen Ländern fördern, der Senegal ist eines davon. Dass Länder wie seines in Baden-Baden überhaupt teilnehmen können, ist für Ba ein großer Fortschritt, den Pakt nennt er "revolutionär".

Wie viel die Initiative aber wirklich bringt, ist offen. Konkrete Zusagen sind in der Abschlusserklärung von Baden-Baden jedenfalls Mangelware. Stattdessen wird vor allem auf die Berichte anderer Institutionen wie des Internationalen Währungsfonds oder der afrikanischen Entwicklungsbank Bezug genommen.

Amadou Ba

Amadou Ba

Foto: SPIEGEL ONLINE

"Wenn sie nur Initiativen zusammenschreiben, sind die G20 kein relevantes Forum", kritisiert Friederike Röder, die für die Entwicklungshilfeorganisation One nach Baden-Baden gereist ist. Der Pakt müsse mit einer Verdopplung öffentlicher Entwicklungshilfe flankiert werden, besonders für die Bildung. "Kein Investor interessiert sich für ein Land, in dem Leute nicht lesen und schreiben können."

Komfortzone für den Finanzminister

Auch der Senegalese Ba beklagt den geringen Entwicklungsstand der heimischen Wirtschaft. Bislang könnten afrikanische Länder oft nur Rohstoffe exportieren, ohne sie vor Ort weiterzuverarbeiten. "Das schafft keine Arbeitsplätze." Ba hätte auch sagen können: Das bestehende Handelssystem ist für uns sehr unfair.

Diese Klage aber übernehmen in Baden-Baden ausgerechnet jene, die den Freihandel über Jahrzehnte mit fast schon religiösem Eifer vorangetrieben haben: US-Finanzminister Steven Mnuchin wiederholte vor den G20-Kollegen noch einmal die Forderung seines Präsidenten, dass Handel fair sein müsse. Und fair bedeutet in Trumps Augen nun mal: Ihr kauft so viel von uns wie wir von euch.

"Dass Handel auch was mit Wettbewerb zu tun hat, davon hat er nicht gesprochen", berichtet ein deutsches Delegationsmitglied einigermaßen fassungslos. Nach Mnuchins Auftritt hätten zahlreiche Länder vehement widersprochen, die US-Delegation aber sei weitgehend verstummt. Selbst wenn er gewollt hätte: Ohne seinen Chef konnte Mnuchin offenbar wenig entscheiden.

Schon früh gibt es in Baden-Baden deshalb Versuche, die Erwartungen an das Treffen zu mindern und gleichzeitig wohlwollende Signale an die Amerikaner zu schicken. Einer davon kommt von Angel Gurría, dem Chef der Industrieländerorganisation OECD.

Gurría stammt aus Mexiko, auch wenn sein Englisch und die Vehemenz des Vortrags immer eher an einen US-Amerikaner erinnern. "Diese Treffen drehen sich nicht um Kommuniqués!", behauptet er bei einem Auftritt mit Gastgeber Schäuble. Man freue sich, dass Mnuchin überhaupt da sei. "Wir wollen, dass er sich zu Hause fühlt, wollen eine kleine Komfortzone für ihn kreieren." Es klingt eher nach einer Gruppentherapie als einem Treffen von Finanzpolitikern.

Ein bisschen Lob für Trump

Später lobt Gurría dann noch mehrere Vorhaben Trumps. Die US-Unternehmenssteuern seien im internationalen Vergleich sehr hoch - Trump will sie senken. Außerdem plant der Präsident massive Investitionen in die Infrastruktur. "Wir halten das für eine gute Idee", sagt Gurría. Gerade hat er mit Schäuble einen Report vorgestellt, demzufolge solche Investitionen der wichtigste Schritt für mehr Wachstum in den USA wären. "So unvernünftig sind die Vorschläge nicht", sagte der Bundesfinanzminister am Ende der Tagung noch einmal.

Es ist ja nicht so, als ob das Ausland alle Vorhaben Trumps ablehnen würde. Auch in anderen Ländern ist der Blick auf die Schattenseiten der Globalisierung heute kritischer als noch vor wenigen Jahrzehnten. So betonen Schäuble und Gurría bei ihrem Auftritt etwa beide, zu große soziale Ungleichheit hemme Wachstum - eine relativ neue Überzeugung.

Nur wäre man im Rest der Welt wohl froh, wenn Trump mit seinen Entscheidungen nicht regelmäßig die Prinzipien jahrelanger Zusammenarbeit über Bord werfen würde. Das gilt auch für ein Bekenntnis zur Finanzierung von Klimaschutzprojekten, das ebenfalls auf amerikanischen Druck nicht mehr in der Abschlusserklärung auftaucht.

Die Hoffnung auf eine Rückkehr zu mehr Kooperation will Schäuble zumindest noch nicht aufgeben. "Manchmal muss man sich bei solchen Tagungen eben darauf beschränken, dass man keinen Partner überfordert", sagt er. Möglicherweise müssten ja manche G20-Mitglieder erst "ein Gefühl dafür kriegen, wie internationale Zusammenarbeit geht."