Frau vor einem Geschäft auf der Mariahilferstraße in Wien
APA/AFP/Joe Klamar
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Vierter Advent

Sonntagsöffnung: Kritik an „Kniefall“ vor Handel

Kirchliche Stimmen reagieren mit Kritik und Sorge auf die Ankündigung, dass am vierten Adventsonntag Geschäfte geöffnet werden sollen. Trotz Beteuerungen, dass es sich um eine Ausnahme wegen des Lockdowns handelt, ist von einem „Kniefall“ vor dem Handel und einem möglichen „Dammbruch“ die Rede.

Der Wiener evangelische Superintendent Matthias Geist sagte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst, was es nun tatsächlich brauche, sei „ein gesundes soziales System, das Menschen in ihrer Existenz absichert – und keinen florierenden Handel; eine Begleitung von seelischem Befinden jeglicher Art – und kein Zudecken mit Materiellem“. Geist kritisierte einen „Kniefall“ vor dem Handel, der „völlig unverständlich“ sei. Der Superintendent vertritt die Evangelische Kirche in der Allianz für den freien Sonntag.

Geist wandte sich gegen ein „Verzwecken von menschlicher Arbeitskraft“, das den Interessen von Familien und derjenigen entgegenstehe, die Advent als Zeit der Besinnung und Neuorientierung begreifen. „Genau in diesen Jahren der Pandemie sollte uns unsere Luxus- und Wohlstandsgesellschaft deutlich zu denken geben, was wir tatsächlich brauchen und wohin sich auch wirtschaftliche Interessen verlagern sollten.“

Muss Ausnahme bleiben

Die Regelung für den vierten Adventsonntag, 19. Dezember, müsse eine einmalige bleiben, so KAB-Vorsitzender Franz Sedlmayer in einer Aussendung am Mittwoch. Bei allem Verständnis für die heimische Wirtschaft, die durch den Lockdown betroffen ist und bei allen Einschränkungen, die die Sozialpartner ausgehandelt haben, warnte die KAB davor, dass es zu einer ähnlichen Entwicklung wie beim 8. Dezember, dem Feiertag Maria Empfängnis, an dem eingekauft werden kann, kommen könnte.

Am Dienstag war bekannt geworden, dass sich die Sozialpartner auf eine Ladenöffnung am 19. Dezember geeinigt haben. Aufgrund des aktuellen Lockdowns fallen drei traditionelle Einkaufssamstage und der 8. Dezember für den Handel weg. Durch den offenen Sonntag will man einen Teil des verlorenen Umsatzes gutmachen. Beschäftigte, die sich freiwillig für diesen Tag melden, verdienen das Doppelte und bekommen einen extra freien Tag. Die Regelung gilt nicht für Supermärkte und Drogerien, die auch derzeit im Lockdown offen haben dürfen. Voraussetzung ist, dass die Pandemiesituation eine Öffnung zulässt.

Kinderbetreuung „abwälzen“

Die St. Pöltner KAB wies in ihrer Aussendung darauf hin, dass der Schutz des Sonntags in der Niederösterreichischen Landesverfassung verankert ist. Diesem Schutz müsse die Landesregierung, allen voran Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), bei der Erstellung der für die anstehende Ausnahme am 19. Dezember notwendigen Verordnung Rechnung tragen.

Viele Handelsangestellte würden sowieso von Montag früh bis Samstagabend arbeiten. Man könne nicht die Ladenöffnungszeiten immer weiter ausweiten, aber die dafür notwendige staatliche Kinder und Schulbetreuung auf Montag bis Freitag begrenzen und sie am Samstag und Sonntag auf die ehrenamtlichen Tätigkeiten der Großeltern oder Verwandten bzw. der eigenständigen Suche und Bezahlung von Kinderbetreuerinnen abwälzen.

Freiwilligkeit nur „scheinbar“

Zudem sei in vielen ländlichen Gegenden ein Erreichen der Arbeitsstelle an Sonn- und Feiertagen mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum möglich, gab die KAB zu bedenken. Die scheinbare Freiwilligkeit der Arbeit am Sonntag könne auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Druck immer aufseiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liege, „die bald den Stempel des Unsolidarischen aufgedrückt bekommen, wenn sie mal am Sonntag die Arbeit ablehnen“.

Sedlmayer wörtlich: „Der heilige Sonntag darf dem quasi heiligen Vollzug des Kaufens und Verkaufens nicht geopfert werden. Für die Gesellschaft und den Einzelnen ist es wichtig, einen Tag in der Woche und vor allem in der stressigen Zeit des Advents zu haben, der für Familie, Partner, Kinder, Verwandte und Freunde da ist.“

Gewerkschaft sieht „einmalige Öffnung“

Profitieren sollen von der Öffnung am 19. Dezember etwa Modehändler, Elektrogeschäfte, Spielzeugläden sowie Möbel- oder Buchhandel. „Die Möglichkeit der einmaligen Öffnung betrifft ausschließlich jene Geschäftsstellen, die während der Zeit des Lockdowns geschlossen haben“, stellte die Gewerkschaft klar, von der auch einige Teilorganisationen der Allianz für den freien Sonntag angehören.

Ein Türöffner für die generelle Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten solle der Ausnahmesonntag nicht werden. „Klar ist für uns, dass wir weiterhin eine Öffnung des Handels am Sonntag abseits einer möglichen Ausnahmeregelung für den 19. Dezember strikt ablehnen“, so Martin Müllauer, Vorsitzender des Wirtschaftsbereiches Handel in der Gewerkschaft GPA.