Medwedews geheimes Imperium

Nach Recherchen des Oppositionellen Alexei Nawalny soll sich Russlands Regierungschef mithilfe von Strohmännern ein Immobilien-Reich geschaffen haben. Die Enthüllungen werden wohl folgenlos bleiben.

Ann-Dorit Boy, Moskau
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Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew soll milliardenschwere Immobilien im In- und Ausland besitzen. (Bild: Steffi Loos / Keystone)

Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew soll milliardenschwere Immobilien im In- und Ausland besitzen. (Bild: Steffi Loos / Keystone)

Über den russischen Regierungschef Dmitri Medwedew ist viel gespottet worden. Karikaturisten bildeten ihn früher gern als Marionette oder als Kind des Präsidenten Wladimir Putin ab. Als Medwedew 2008 selbst Präsident wurde, weil Putin nach zwei Amtszeiten nicht unmittelbar wieder antreten konnte, stellte sich der Platzhalter als liberal dar und erklärte mit grossen Worten der Korruption den Krieg. Taten folgten den Worten allerdings nicht. Neun Jahre später wirft nun der Oppositionspolitiker und Korruptionsbekämpfer Alexei Nawalny Medwedew vor, er sei selbst einer der reichsten und korruptesten Politiker Russlands geworden.

Mehrere luxuriöse Anwesen

Mit einer detaillierten Untersuchung, die Nawalny am Donnerstag als Videofilm und Materialsammlung im Internet veröffentlichte, will der Oppositionelle beweisen, dass Medwedew der heimliche Besitzer eines Imperiums aus luxuriösen Anwesen, Weinbergen und Jachten im Wert von mindestens 1,2 Milliarden Franken ist, die von zweifelhaften Stiftungen verwaltet werden. Zu den Objekten zählen mehrere Anwesen innerhalb Russlands, unter anderem im Heimatdorf von Medwedews Grossvater in der Region Kursk, nahe Moskau, und in Südrussland, sowie ein Weingut in der Toskana. Luftaufnahmen von Kamera-Drohnen geben dem Zuschauer einen Eindruck von den gigantischen Ausmassen der Gebäude und parkähnlichen Gärten.

Keines der genannten Anwesen gehört offiziell Medwedew. Allerdings legen vom Regierungschef veröffentliche Fotoaufnahmen nahe, dass er sich an einigen der Orte mindestens gelegentlich aufhält. Besitzer der meisten Güter sollen vermeintlich wohltätige Stiftungen sein, die jedoch keine wohltätigen Aktivitäten vorweisen können, Spenden von den reichsten Geschäftsleuten erhalten und von Vertrauten und ehemaligen Kommilitonen Medwedews geleitet werden sollen. Ein 85 Millionen teures Anwesen nahe Moskau soll beispielsweise einer sogenannten «Stiftung für sozial wichtige Regierungsprojekte» geschenkt worden sein – von dem usbekischstämmigen Oligarchen Alischer Usmanow. Mitarbeiter des Anwesens, vermutlich Hausmeister und Sicherheitsleute, bezeichnen es in Einträgen in sozialen Netzwerken angeblich als «Medwedews Residenz».

Die Rechercheure von Nawalnys «Stiftung zur Korruptionsbekämpfung», die sich unter anderem mithilfe von Kleinspenden finanziert, haben mehrere detaillierte Berichte über die Bereicherung der russischen Eliten veröffentlicht, zuletzt über Generalstaatsanwalt Juri Tschaika. Die nun veröffentlichte Untersuchung über das angebliche Medwedew-Imperium fusst auf Recherchen investigativer Journalisten, die über ein Netzwerk dubioser Nichtregierungsorganisationen berichtet hatten, die von Medwedews ehemaligen Mitstudenten von der St. Petersburger juristischen Fakultät geführt werden. Nawalnys Rechercheure haben diese Fäden aufgegriffen, die Vermögenswerte der Stiftungen unter die Lupe genommen und unter anderem festgestellt, dass keine der Stiftungen an das Justizministerium berichtet.

Obwohl die von Nawalny zusammengetragenen Hinweise den Schluss nahelegen, dass der Regierungschef von den Annehmlichkeiten der Luxusgüter mindestens profitiert, fehlt in der Untersuchung ein zwingender Beweis, dass Medwedew der Besitzer des Imperiums ist. Möglicherweise ist er es nicht und verlässt sich stattdessen auf ein Netzwerk von Freunden, deren Anwesen er nutzen kann, als wären es seine eigenen. Wie immer die Lage auch sei, es gilt als ausgeschlossen, dass das direkt Präsident Putin unterstellte Ermittlungskomitee die Vorwürfe untersuchen wird, die Nawalny ihm am Donnerstag auch offiziell zugestellt hat.

Vorwürfe zurückgewiesen

Die Pressesprecherin von Regierungschef Medwedew wies die Anschuldigungen als Wahlkampfgeplänkel und Propaganda eines verurteilten politischen Gegners zurück. Es sei zwecklos, darauf zu antworten. Der 40-jährige Jurist Nawalny hat angekündigt, bei den Präsidentenwahlen in Russland im kommenden Jahr antreten zu wollen. Unverdrossen baut er seinen Wahlkampfstab auch in den Regionen auf. Gemäss einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Instituts würde Nawalny bei Präsidentenwahlen derzeit zehn Prozent der Stimmen erhalten. Allerdings kennen ihn laut derselben Umfrage die Hälfte der Russen nicht.

Nawalny wird von den Staatsmedien entweder totgeschwiegen oder diffamiert. Die Menschen, die ihn aus dem Fernsehen kennen, haben meist von seiner Verurteilung wegen Veruntreuung gehört. Weil Nawalny als Berater des Gouverneurs von Kirow angeblich den dortigen staatlichen Holzbetrieb um umgerechnet 30 000 Franken betrog, wurde er zu fünf Jahren Haft verurteilt, die später zur Bewährung ausgesetzt wurden. Dies kann sich, wie Nawalny weiss, vor den Wahlen jederzeit wiederholen.