Kyrill wollte im Keller interviewt werden. Es war 1986. Der orthodoxe Bischof von Smolensk und Königsberg kam, eine mächtige Gestalt, im schwarzen Gewand und ohne die übliche zylindrische Kopfbedeckung die Treppe hinunter in den spärlich beleuchteten Archivflur im Zentrum des Weltkirchenrates in Genf. Sein tiefer Bass klang aufgeregt. Ein ums andere Mal fuhr er sich mit der Hand durch das sich von vorn lichtende dunkelblonde Haar und den welligen Vollbart.

Kyrill hatte wenige Jahre zuvor den Einmarsch der Sowjetunion nach Afghanistan kritisiert, das war mutig. Er war 40, ein eloquentes Raubein, und gehörte zum orthodoxen Führungsnachwuchs. Die älteren Bischöfe sprachen über die Schönheit der Trinität und die nötige Vergöttlichung des Menschen, aber kein Wort über Kirchenpolitik oder andere Fragen aus dem Hier und Jetzt. Kyrill aber sagte, dass die Orthodoxen die Frauenordination ablehnten und trotzdem mit Protestanten und Anglikanern zusammenarbeiten wollten. Und er stieß sich daran, dass die Führungspositionen im Genfer Zentrum des Weltkirchenrates oft mit Protestanten und Anglikanern, aber selten mit Orthodoxen besetzt wurden. Er gab der Orthodoxie damit eine Stimme, die politisch mitreden konnte. Und nachdem er Vertrauen gefasst hatte, antwortete er sogar einem Journalisten. Das tat keiner der orthodoxen Kirchenführer. Kyrill galt als kompromissfähig.