UN-Botschafterin Nikki Haley : Mit Trumps Rotstift im Sicherheitsrat
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Um Nikki Haley ist es manchmal einsam im UN-Sicherheitsrat. Bild: AFP
Während Präsident Trump Diktatoren und Autokraten hofiert, redet Nikki Haley in New York über Menschenrechte. Doch die oberste Mission der amerikanischen UN-Botschafterin ist eine andere.
Man muss Nikki Haley nicht beim Wort nehmen, wenn sie sagt, sie fühle sich von ihrer neuesten Aufgabe „eingeschüchtert“. Auf ihrer ersten Pressekonferenz als amtierende Präsidentin des Sicherheitsrats fügte Donald Trumps UN-Botschafterin diese Woche kokett hinzu, sie müsse noch lernen, diplomatisch zu reden. Die frühere Gouverneurin von South Carolina ist erst seit zehn Wochen in New York. Doch wenn jemand von Trumps Außenpolitikern das Rampenlicht sucht, dann ist es die 45 Jahre alte Republikanerin. Schon ihren ersten Auftritt in New York hatte sie Ende Januar für eine Drohung genutzt: „Wir merken uns die Namen von allen, die uns in den Rücken fallen.“
Vorige Woche ließ sich die Tochter indischer Einwanderer auf dem Kongress der Israel-Lobby Aipac bejubeln. „Ich trage Stöckelschuhe, aber nicht aus modischen Gründen“, verkündete Haley vor Tausenden Zuhörern. Vielmehr werde es jedes Mal einen Tritt setzen, wenn in New York Zeit mit den falschen Themen verschwendet werde. Den Hang vieler UN-Gremien zum „Israel-Bashing“ stellt Haley ins Zentrum ihrer Kritik. Vor den Aipac-Delegierten prahlte sie, dass sie bereits die Ernennung eines Palästinensers zum Sondergesandten in Libyen vereitelt habe und dass UN-Generalsekretär António Guterres den Bericht einer Kommission habe zurückziehen müssen, der Israel ein „Apartheid“-System unterstellte. Insgesamt hält Haley die UN für einen verkrusteten „Klub“, der außerdem zu viel amerikanisches Geld verschlinge.
Nach Rückzug soll das aber nicht klingen. „Die Vereinigten Staaten sind das moralische Gewissen der Welt“, hat Haley vorige Woche versichert. Nun gelte es, die UN „zum effektiven Werkzeug unserer Werte“ zu machen.
Guterres und Haley als Good Cop und Bad Cop?
Je mehr die Amerikanerin New York aufwirbelt, desto stiller scheint es um Guterres zu werden. Der Portugiese hatte sein Amt am 1. Januar übernommen und mit dem Selbstbewusstsein eines früheren Regierungschefs ebenfalls erkennen lassen, dass er ein paar Dinge ändern wolle. Doch der einstige UN-Flüchtlingshochkommissar weiß, dass er nicht weit käme, wenn er ohne Rücksicht auf die Empfindlichkeiten der 193 Mitgliedstaaten vorpreschte. Ein paar Optimisten setzten deshalb darauf, Guterres und Haley könnten in einer Art Good-Cop-Bad-Cop-Rollenspiel zusammenwirken, um überfällige Managementreformen zu erzwingen.
Doch solche Visionen sind längst in der Sorge zerstoben, dass Trumps nationalistisch grundiertes Spardiktat die UN in eine tiefe Krise stürzt. „Für die neue Regierung geht die Kostensenkung über alles“, bestätigt der UN-Fachmann Brett Schaefer in Washington. Er arbeitet für die Heritage Foundation, die Trumps Pläne mitgeprägt hat. Einen von Schaefers Kollegen hat Haley als Stabschef nach New York geholt.
Trumps erster Etatentwurf mit drastischen Kürzungen bei allem, was mit Diplomatie zu tun hat, dürfte so zwar nicht den Kongress passieren. Doch diese Woche bekamen die UN einen Vorgeschmack, als Außenminister Rex Tillerson ankündigte, den Bevölkerungsfonds nicht mehr zu unterstützen. 2015 hatte Washington dafür noch rund 75 Millionen Dollar übrig gehabt. Vehement wies Guterres Tillersons Darstellung zurück, dass die Organisation in China an Zwangsabtreibungen und unfreiwilligen Sterilisierungen mitwirke. Der Bevölkerungsfonds gehört ebenso wie das Welternährungsprogramm (WFP) und das Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zu den UN-Organisationen, die auf freiwillige Zuwendungen angewiesen sind. Guterres hat bereits Haleys Wunsch entsprochen und einen ihrer Vorgänger im Gouverneursamt von South Carolina zum WFP-Direktor ernannt. So dürfte er hoffen, angesichts der Hungersnot in Ostafrika wenigstens für diese Notretter weiterhin auf Amerikas Unterstützung bauen zu können.
Besonders teuer sind Friedenseinsätze
Zum regulären UN-Budget von derzeit etwa 2,8 Milliarden Dollar pro Jahr müssen die Mitgliedstaaten dagegen nach festgelegtem Schlüssel beitragen. Mit 22 Prozent führen die Vereinigten Staaten die Liste der Zahler mit großem Vorsprung vor Japan (knapp zehn Prozent), China (knapp neun) und Deutschland (gut sechs) an. Fast dreimal so teuer sind die Friedenseinsätze, für die gesondert Beiträge zu entrichten sind. Die jährlichen Kosten von derzeit knapp acht Milliarden Dollar muss Amerika zu 28,5 Prozent übernehmen. Trumps Regierung will nun einen 23 Jahre alten Kongressbeschluss durchsetzen und Amerikas Pflichtanteil auf 25 Prozent zurückfahren.
Damit allein wäre freilich noch nicht einmal ein Viertel des in Washington angeblich anvisierten Sparvolumens von einer Milliarde Dollar erreicht. Dazu müssten, wie Schaefer vorrechnet, die gesamten UN-Ausgaben für Blauhelmeinsätze von knapp acht auf gut fünf Milliarden Dollar reduziert werden. Das ginge nur, wenn von den 16 gegenwärtigen „Peacekeeping“-Einsätzen mehrere beendet würden – und nicht nur die Missionen in Liberia, der Elfenbeinküste und in Haiti, deren Abwicklung schon länger anvisiert ist. Sie kosten zusammen deutlich unter eine Milliarde Dollar und damit weniger als jeder einzelne der Großeinsätze in Kongo, in Südsudan, in der westsudanesischen Provinz Darfur, in Mali oder in der Zentralafrikanischen Republik.
Trumps Vorgänger Barack Obama hatte in den sogenannten friedenserhaltenden Missionen der UN eine spottbillige Alternative zu jeder anderen Art der Intervention erkannt. Haley aber lässt den Sicherheitsrat an diesem Donnerstag darüber diskutieren, ob die Einsätze grundsätzlich noch zweckdienlich seien. Denn bisher, so die außenpolitische Novizin kürzlich vor einem New Yorker Fachpublikum, habe man vor lauter Bäumen den Wald aus den Augen verloren. An zwei besonders hohe Bäume scheint Haley die Axt anlegen zu wollen. Kritisch verwies sie darauf, dass die südsudanesische Regierung die rund 15.000 „Peacekeeper“ der UN loswerden wolle.
Das lähmt die Truppe und widerspricht den Prinzipien der UN. Allerdings haben mehr als 200.000 Zivilisten Schutz bei den Blauhelmsoldaten gefunden. Ein Abzug ohne belastbaren Friedensschluss wäre also ein Weg in eine Katastrophe. Aus gleichsam spiegelverkehrten Gründen hat Haley wiederum die UN aufgefordert, „Anstand zu beweisen“ und ihren größten Einsatz zu beenden, die Kongo-Mission. Denn dort kooperierten „Blauhelme“ mit Truppen der „korrupten“ Regierung, welche die Bevölkerung schikanierten. Gemessen daran endete die jährliche Debatte um die Mandatsverlängerung vorige Woche unspektakulär. Der Sicherheitsrat reduzierte die Zahl der in Kongo eingesetzten Soldaten nur leicht, wies auf Haleys Druck allerdings Guterres’ Bitte ab, mit einigen hundert zusätzlichen Polizisten nächstes Jahr die Wahl zu schützen. „Weiß Gott, es gibt in diesen Missionen viel zu verbessern“, sagt Louis Charbonneau, der UN-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. „Es darf nur nicht auf Kürzungen mit dem Rasenmäher hinauslaufen.“
Syrien : Trump: Giftgas-Einsatz hat mehrere rote Linien überschritten
Mit Haley kommen Menschenrechte auf den Tisch
Bald will Haley den Sicherheitsrat zum angeblich ersten Mal in seiner Geschichte allgemein über die Bedeutung der Menschenrechte diskutieren lassen, was China und Russland gar nicht passt. Sie sagte das vorige Woche am selben Tag, an dem Tillerson ankündigte, Waffenverkäufe an Bahrein nicht mehr an Menschenrechtsauflagen zu knüpfen. „Die Trump-Regierung unterstützt mich voll und ganz darin, dass wir im Rat über Menschenrechte reden“, beteuerte Haley am Montag. Fast gleichzeitig verließ der ägyptische Machthaber Abd al Fattah al Sisi zufrieden das Weiße Haus, wo Trump ihn als „phantastischen“ Partner gerühmt hatte, ohne die Menschenrechtsverletzungen in Ägypten öffentlich zu erwähnen. Menschenrechtler sehen in der geplanten Sicherheitsratsdebatte eher ein Ablenkungsmanöver. „Jede Diskussion darüber ist natürlich gut“, sagt Charbonneau etwas gequält. „Aber es wäre wichtig, das auf konkrete Länder zu beziehen.“
Zumal die Amerikanerin langfristig das Ziel verfolgen dürfte, durch Menschenrechtsdebatten im Sicherheitsrat den Menschenrechtsrat zu delegitimieren. Haley hat das Genfer Gremium für „korrupt“ erklärt. Besonders stört sie sich daran, dass der israelisch-palästinensische Konflikt dort ein eigener, ständiger Tagesordnungspunkt ist und Israel regelmäßig verurteilt wird, während alle anderen Länder unter einem allgemeinen Tagesordnungspunkt verhandelt werden und Staaten wie China oder Russland oft ungeschoren davonkommen. Trotz aller Fehler habe der Rat aber auch Gutes hervorgebracht, sagt dagegen Charbonneau und nennt Erkundungsmissionen in Burma, Syrien und Nordkorea. Die ganze Debatte zeige, dass beispielsweise Deutschland und andere europäische Nationen bald nicht nur gefordert sein könnten, finanziell in die Bresche zu springen. „Wenn Amerika sich zurückzieht, müssen andere Nationen insgesamt die Führung übernehmen.“
Der konservative Ratgeber Brett Schaefer bezweifelt, dass sich für Trumps Regierung Engagement im Menschenrechtsrat lohnt. Dort sei viel Aufwand nötig, um allenfalls punktuell bessere Resultate zu erzielen. Washington könnte entscheiden, sich aus dem Rat wieder zurückzuziehen. Kurz vor Amtsantritt hatte Trump getwittert, dass die UN „bloß ein Klub sind, wo Leute zusammenkommen, reden und sich amüsieren. So traurig!“ Selbst der Skeptiker Brett Schaefer warnt aber davor, die UN für einen „Monolithen“ zu halten. Von Flüchtlingshilfe bis Seuchenbekämpfung gebe es viel auf globaler Ebene zu erledigen. Etwas gönnerhaft hat Haley in New York verkündet, es sei ganz normal, dass sich in Institutionen lähmende Rituale einspielten. Auch in South Carolina habe sie erst einmal aufräumen müssen. „Und jetzt arbeite ich daran, die Kultur in den Vereinten Nationen zu ändern.“