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Die amerikanische Demokratie schwächelt

«Pflegefall amerikanische Demokratie»: Das Kapitol, Sitz des Kongresses, in Washington. (Archivbild)

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Die Amerikaner bildeten sich ein, die Freiheit der Menschen sei ihnen aufgetragen und Amerika die Bühne, auf der sich die Menschheit entfalten werde, spottete Gründervater John Adams zehn Jahre vor dem Ausbruch des amerikanischen Befreiungskriegs gegen Grossbritannien. Jahrhunderte später befand die damalige Aussenministerin Madeleine Albright, US-Amerika bleibe die «unverzichtbare Nation».

Zwischen Adams und Albright und auch danach beschworen sie alle die Einzigartigkeit der Vereinigten Staaten: Ronald Reagan und Barack Obama, George W. Bush und jeder amerikanische Patriot, dem der Anblick rotweissblauer «Stars and Stripes» einen Ausbruch von Vaterlandsliebe bescherte. Alle besangen die Einzigartigkeit Amerikas und die ideologische Überlegenheit des Amerikanismus mit seiner Allmacht des Marktes. Nach der Herrschaft des «Kriegspräsidenten» George W. Bush und unter den wirren Umständen von Donald Trumps Präsidentschaft aber ist der Lack längst ab, vom Vorbild Amerika nicht mehr allzuviel geblieben.

Verfeindete politische Lager

Barack Obama versuchte sich daran, das amerikanische Image zu verbessern, mit mässigem Erfolg nur. Denn nicht allzuviel geht mehr im Land der begrenzten Möglichkeiten, wo sich zwei politische Lager spinnefeind gegenüberstehen und die Gewaltbereitschaft an den Rändern des politischen Spektrums zunimmt. William James und John Dewey, die grossen amerikanischen Pragmatiker, drehten sich im Grab, so sie die Washingtoner Szene besehen könnten.

Wer möchte schon Demokratie als beste aller Regierungsformen preisen, wenn die amerikanische Demokratie zum Pflegefall geworden ist? Oder draussen im Land über 300 Millionen Schusswaffen zirkulieren, die Jahr für Jahr 30'000 Opfer fordern.

US-Gefängnisse sind unterdessen prallvoll, rehabilitiert aber wird niemand mehr: Wer vorbestraft ist, wird zum Ausgestossenen. Dennoch bleibt die Einbildung, im «besten Land auf Erden» zu leben, fester Bestandteil des amerikanischen Credo. Ähnlich beeinträchtigt die sinkende Lebenserwartung breiter Bevölkerungsschichten – ein in der westlichen Welt einmaliger Vorgang – nicht im mindesten die vor allem bei Konservativen weitverbreitete Überzeugung, das amerikanische Gesundheitswesen sei das allerbeste und ohne Konkurrenz.

In Wirklichkeit ist es das kostspieligste und unvernünftigste der westlichen Industriestaaten. Von anderen Nationen zu lernen und sich vielleicht Rat zu holen ist jedoch nicht erlaubt: Es hiesse ja einzugestehen, dass es anderswo besser ist – was nicht sein kann und nicht sein darf. Wenn etwa der oberste Bundesrichter Anthony Kennedy zuweilen über die Landesgrenzen blickt und Urteile in anderen Ländern in seine Jurisprudenz einfliessen lässt, wird er dafür kritisiert.

Nacht- und Nebelaktion im Gesundheitssektor

Das Gesundheitswesen ist das markanteste Beispiel amerikanischer Verbohrtheit – und im Moment zugleich ein Gradmesser des jämmerlichen Zustands der amerikanischen Demokratie: Die Demolierung von Obamacare durch die Republikanische Partei erfolgt im Kongress geheim und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, auch viele republikanische Senatoren und Abgeordnete haben keinen blassen Dunst, wofür sie am Ende stimmen werden. Der Gesundheitssektor, immerhin ein Sechstel der amerikanischen Wirtschaft, wird bei Nacht und Nebel umgekrempelt. Danach werden über 20 Millionen Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren, indes das eingesparte Geld den Reichen in Form von Steuernachlässen geschenkt wird. Und das soll ein Vorbild für den Rest der Welt sein?

Aus Ronald Reagans «leuchtender Stadt auf dem Hügel», schon damals eine Phantasie, ist längst ein Sanierungsgebiet geworden. Zwei Billionen Dollar verpulverte «Kriegspräsident» George W. Bush im Irak, derweil zu Hause Brücken und Strassen, Flughäfen wie Kanalisation bröckeln. Dafür belangt wurden weder Bush – er malt in Texas – noch seine Unterlinge wie Rumsfeld und Cheney. Die Zeche für den kriminellen Krieg bezahlten nicht sie, sondern Soldaten, die auf dem Schlachtfeld blieben oder im Kopf nie wieder zurückkamen, obschon sie zu Hause sind.

Fakten sind dehnbar geworden

Im Dämmerlicht der bedrängten amerikanischen Demokratie, wo Wahlen von Milliardären geschmiert werden und immer neue Barrieren die Wahlbeteiligung von Minderheiten senken sollen, flackern unterdessen gefährliche Verschwörungstheorien auf. Sie gedeihen, weil keiner keinem traut und der Informationsfluss streng nach politischer Gesinnung verläuft: Die Rechte schaut Fox News, die Linke MSNBC oder CNN, konservative Blogger behaupten dies, liberale Blogger das. Fakten sind dehnbar geworden, «Fake-News» lauern überall.

Besonders beschämend aber sind die Wahlbezirke für das Washingtoner Repräsentantenhaus oder auch für viele Staatsparlamente: Um sich Vorteile zu verschaffen, stückeln vor allem Republikaner groteske Territorien zusammen, deren Bewohner oftmals in einem Einparteiensystem leben. Demokratisch ist daran nichts.

Den Mann im Weissen Haus stört das nicht. Sein Demokratieverständnis ist geradeso unterentwickelt wie sein Schamvermögen oder seine Empathie. Als seine Altersgenossen in den Vietnamkrieg – auch das ein unsinniger Waffengang – zogen, drückte sich Donald Trump vor dem Wehrdienst. Jahre später schilderte er in einem Radiointerview seinen «Krieg» mit Geschlechtskrankheiten und beschrieb ihn als sein «persönliches Vietnam». Schliesslich seien Vaginas wie «Landminen», erklärte Trump

Mit ihm hat die schwächelnde amerikanische Demokratie bekommen, was sie verdient: Einen Ignoranten mit autokratischen Tendenzen, zugleich jedoch eine Kultfigur für seine Anhänger, denen in der Ära Obama konstant das Messer im Sack aufging. Jetzt ist ihr Held am Drücker, ein Präsident, der täglich stundenlang vor dem Fernseher sitzt und seinen TV anschreit, wenn dort mal wieder das Ding mit Putin zur Sprache kommt.

Armes US-Amerika! Wem möchtest du Vorbild sein, wen vermagst du noch zu begeistern?