US-Politologe: "Trump kann Wohlstand schaffen"

Gibt Trumps Politik durchaus Chancen auf Erfolg: Walter Russell Mead
Der Politologe Walter Russell Mead kann der Politik des neuen US-Präsident einiges abgewinnen.

Als langjähriges Mitglied des "Council on Foreign Relations", des wohl einflussreichsten außenpolitischen Think Tank der USA, hat Walter Russell Mead die politische Strategie vieler US-Regierungen maßgeblich beeinflusst. Im KURIER-Interview widerspricht der einflussreiche Politologe der radikalen Ablehnung von Trumps Politik.

KURIER: Warum sorgt Trump ständig für öffentliche Empörung, etwa mit seinen Twitter-Meldungen?

W.R.Mead: Er weiß, dass die einzige Basis seiner Macht die öffentliche Meinung ist. Er muss also die etwa 45 Prozent der Bevölkerung, die hinter ihm stehen, bei Laune halten. Der Beamtenapparat hasst ihn, die Führung der republikanischen Partei akzeptiert ihn kaum. Also muss er die Menschen bei Laune halten, dafür braucht er einen permanenten populistischen Wahlkampf.

Wo aber sehen Sie die strategischen Ansätze seiner Politik?

Das erstes Ziel des Trump’schen Wirtschaftskonzepts ist, alle Beschränkungen für Öl- und Gasförderung durch Fracking zu beseitigen, um die heimische Energieproduktion anzukurbeln. Das schafft Jobs in der Industrie und hält den Preis von Öl und Gas niedrig, egal, was die OPEC will. Seine Hoffnung ist, wenn man Regulierungen für die Industrie zurückschraubt und die Energiepreise niedrig hält, wird die Wirtschaft schneller wachsen. Wenn man dazu die illegale Einwanderung strenger kontrolliert, werden die Löhne steigen, weil die Unternehmen einheimische Arbeiter einstellen.

Verschafft sein Protektionismus des USA nicht wirtschaftliche Nachteile?

Es wird niedrigere Energiepreise in den USA als in Europa geben. Das liefert Anreize für viele energieintensive Industrieunternehmen aus Asien oder Europa, sich in den USA anzusiedeln, und zwar in der Mitte des Landes, denn dort gibt es das Gas. Dort wohnen aber auch Trumps Wähler. Trump könnte also tatsächlich gute Impulse für die US-Wirtschaft liefern, einfach indem er die großen Vorteile nützt, die sie etwa gegenüber Europa hat, also als allererstes die enormen Energiereserven.

Was wird aus dem Versprechen, die US-Infrastruktur zu erneuern. Scheitert das nicht am Budgetdefizit?Der Kongress wird ihm erlauben, Schulden zu machen. Exakt wie bei Ronald Reagan, der hat auch Riesendefizite gemacht. Wenn Trump außerdem ein großes Infrastrukturprogramm präsentiert, werden das auch viele Demokraten befürworten. Trump hat die Wahl gewonnen, weil die weiße Arbeiterklasse für ihn stimmte, und genau die wird von einem solchen Infrastrukturprogramm profitieren. Wenn das klappt, hat er gute Chancen wiedergewählt zu werden.

Aber wie will er langfristig Jobs schaffen?

Wir haben in den USA diese zahlenmäßig sehr starke Milleniums-Generation, also die jungen Erwachsenen bis 27. Die wollen jetzt Familien gründen und Häuser bauen. In den USA haben wir genug Platz dafür, wir könnten einfach einen dritten Vorstadt-Ring um die Städte bauen. Mit Telearbeit und selbstfahrenden Autos könnte man ruhig drei Stunden entfernt von der Innenstadt wohnen, vor allem wenn die Energiepreise niedrig bleiben. Auf einmal also könnte diese neue Generation das tun, was ihre Eltern und Großeltern getan haben: ein Haus kaufen mit Garten, wo ihre Kinder aufwachsen könnten. Allein die Infrastruktur dafür zu bauen, würde Jobs schaffen. Es gibt also eine reale Chance, dass Trumps politische Strategie eine weitere Welle von Wohlstand für eine neue Generation in den USA schafft.

Steuersenkungen, Deregulierung, Erneuerung der Infrastruktur, Beschränkung der Zuwanderung: All das zusammen könnte dazu beitragen, dass diese Strategie wirklich funktioniert.

Was ist von Trumps Außenpolitik zu erwarten?

Im pazifischen Raum und im Nahen Osten wird Trump bewährte US-Partnerschaften verstärken. Mit Japans Premier Abe arbeitet er eng zusammen, auch um den Konflikt mit China unter Kontrolle zu halten. Im Nahen Osten hat Obama die Lage destabilisiert, indem er sich an den Iran angenähert hat. Trump wird zu Saudi-Arabien, Israel und Ägypten als bewährten US-Partnern zurückkehren. Seine Außenpolitik wird also viel mehr traditionelle US-Außenpolitik sein als die Obamas.

Und die Beziehungen zu Europa?Die Trump-Regierung hat kein grundlegendes Interesse daran, den heutigen Zustand der EU zu erhalten. Trumps Leute sind überzeugt, dass das deutsche Projekt für Europa nicht aufrechtzuerhalten ist. Sie sehen ein System, das gescheitert ist, keine wirklichen Fortschritte, weder bei der Lösung der Euro- noch der Flüchtlingskrise. Deutschland kann Europa heute nicht führen, aber es kann auch niemand anderer. Deutschlands sozialer Frieden beruht auf seiner Exportstärke, die aber beruht auf dem Euro. Jedes Mal wenn eine Krise in Italien oder Griechenland den Euro in den Keller schickt, hilft das den deutschen Exporten. Je kranker also Italien wird, desto stärker wird Deutschland, das ist ein perverser Kreislauf: Deutschlands soziale Stabilität beruht immer mehr auf Europas politischer Instabilität.

Wie eng ist das umstrittene Nahverhältnis zu Putin?

Dass es Kontakte zwischen der Trump-Kampagne und Russland gegeben hat, schockiert mich nicht, ich halte es weder für verfehlt noch für seltsam. Niemand hat je erwartet, dass Wahlkämpfer keine Kontakte zu ausländischen Regierungen haben.

Amerika hat Probleme mit islamischen Dschihadisten, mit China, mit Russland. China aber macht den Russen ähnliche Sorgen wie den USA. Die Dschihadisten sind für Russland sogar ein größeres Problem als für die USA. Wenn man also die US-Konfliktzonen neu überdenkt, machen bessere Beziehungen zu Russland Sinn. Für Trump ist vor allem der Kampf gegen den IS politisch wichtig, und auch der ist mit guten Beziehungen zu Russland leichter zu gewinnen.

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