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Enthüllungsbuch über Trump Ein Käfig voller Narren

Ist das Sensationsbuch "Fire and Fury" über Donald Trump wirklich so böse? Dem Leser offenbart sich ein tragischer Präsident - und ein völlig überforderter Mitarbeiterstab.
US-Präsident Donald Trump

US-Präsident Donald Trump

Foto: Manuel Balce Ceneta/ dpa

"Fire und Fury", das spektakuläre Enthüllungsbuch über Donald Trump, ist einen Tag nach seiner Veröffentlichung der heißeste US-Bestseller des noch jungen Jahres. Bei Kramerbooks in Washington war es binnen 20 Minuten ausverkauft. In New York musste die Buchkette Barnes & Noble ihre Kunden auf Montag vertrösten, da ein Blizzard die Auslieferung bremste. Selbst Amazon hatte keine Exemplare mehr, beste Lieferzeit: zwei Wochen.

Kein Wunder. Der Sensationsschmöker über die ersten Monate Trumps im Weißen Haus produzierte bereits in den vergangenen Tagen irre Schlagzeilen. Ein paar kurze erste Auszüge reichten, um die Hysterie zu befeuern: Trump wollte nie Präsident werden! Sein Stab hält ihn für dumm! Und, klar, "verräterische" Russland-Kontakte! Der Verlag reagierte und zog die Publikation um vier Tage vor.

Die brisantesten Zitate, die kursierten, gingen auf Steve Bannon zurück, Trumps Ex-Chefstrategen. Bannon war eine der gesprächigsten Quellen, aus denen Reporter Michael Wolff die 336-Seiten-Seifenoper strickte, angesiedelt irgendwo zwischen Bauernschwank und Endzeitthriller.

"Fire and Fury" bietet jedoch mehr als Klatsch, Tratsch und Bannon. Wer über die Schludrigkeiten hinwegsieht, die auch der hastigen Herausgabe geschuldet sind, taucht in das erschreckende Porträt einer US-Regierung ein, deren Inkompetenz kaum zu überbieten ist - voller Narren und Intriganten von derart überforderter Dämlichkeit, dass sich die Frage stellt, wieso sie alle nicht schon hinter Gittern sitzen. Allen voran Donald Trump, der einem fast leidtut, wäre er nicht der mächtigste Mann der Welt.

Wolff schert sich wenig um Reporter-Gepflogenheiten. Er beschreibt intime Szenen, als wäre er dabei gewesen, zitiert Dialoge, als hätte er sie stenografiert, zeichnet innere Qualen nach, als könnte er Gedanken lesen. Auch interessieren ihn Absprachen zwischen Informant und Autor nicht: Ihm ist es egal, ob er seine Quellen verbrennt, was sich am dramatischsten an Bannon zeigt. Doch vielleicht ist so etwas auch mal nötig, um den staubigen, politisch überkorrekten US-Journalismus aufzumischen: Wer jemandem beikommen will, der aus Prinzip Tabus bricht, muss selbst bereit sein, Tabus zu brechen.

Hier sind die spannendsten Erkenntnisse aus "Fire and Fury":

Steve Bannon

Steve Bannon

Foto: Brynn Anderson/ AP

Über Trumps geistige Kapazitäten:

Wolff, der sich in der New Yorker Society gut auskennt, nennt Trump deren "Witzfigur". Er werde als "dumm" verlacht von den anderen Milliardären, die ihn nie als einen der ihren akzeptiert hätten. "Er wusste nichts", so Wolff. "Was er wusste, schien er eine Stunde zuvor gelernt zu haben." Als Geschäftsmann habe er nicht mal eine Bilanz entziffern können. Er wiederhole sich dauernd, sei mit Schmeicheleien "einfach an- und auszuknipsen" und am meisten beeinflussbar vom letzten Gesprächspartner. Er lese nichts außer "Schlagzeilen und Artikel über sich selbst oder zumindest Schlagzeilen von Artikeln über sich selbst" und sei "eine Figur von stotternder, gefährlicher Unsicherheit".

Über Trumps Amtsfähigkeit:

Donald Trump (Archivbild aus dem Januar 2017)

Donald Trump (Archivbild aus dem Januar 2017)

Foto: JONATHAN ERNST/ REUTERS

Schon bei den ersten Briefings im Oval Office habe sich gezeigt, dass Trump völlig unfähig - und unwillig - sei, "Informationen von Dritten aufzunehmen". Er lehne schriftliche Papiere ab, weshalb ihn manche für einen Legastheniker hielten. Gesetze langweilten ihn. Auch könne er sich an die meisten Dinge, die er mal gesagt habe, schnell nicht mehr erinnern - etwa an Wahlkampfversprechen. "Es war ein Understatement, zu behaupten, dass er nichts - absolut nichts - über die intellektuellen Grundlagen des Jobs wusste", schreibt Wolff unter Berufung auf Trumps Stab.

"Er konnte Ursache und Wirkung nicht miteinander in Verbindung bringen." Seine Welt sei geprägt von "Übertreibungen, Hirngespinsten und der Verstümmelung von Fakten", was sich als "rohe, autoritäre Demagogie" offenbare. Am Anfang habe das Weiße Haus Trump "verwirrt und sogar ein bisschen beängstigt". Schnell habe er versucht, "seinen Terminkalender zu verschlanken, seine Arbeitsstunden zu reduzieren und seine Golf-Routine beizubehalten". Selbst nach dem Giftgasangriff in Syrien im April 2017 habe man ihm erst Fotos getöteter Kinder vorhalten müssen, um ihn zu einer Reaktion zu bewegen.

Über die Russlandaffäre:

Jeder im Weißen Haus verdächtigt Wolff zufolge jeden, irgendwie in die Russlandaffäre verstrickt zu sein. Inzwischen hätten sich die meisten teure Anwälte nehmen müssen und redeten kaum noch miteinander, aus Angst, tiefer hineingerissen zu werden. Wolff entwickelt freilich keine eigene Schlussfolgerung, ob die Vorwürfe der Einflussnahme Russlands auf die Wahl berechtigt sind.

Die meistzitierte These: Trump tappte erst aus Eitelkeit ("Er wollte, dass Putin sein Freund ist") und dann aus Rachsucht in eine juristische Falle, indem er FBI-Chef James Comey feuerte und damit die Einsetzung des Sonderermittlers Robert Mueller herbeiführte. Der wühle nun wiederum in alten Finanzgeschäften Trumps und seines Schwiegersohns Jared Kushner herum, die wahrscheinlich "in die dubiose Zwischenwelt" internationaler Geldwäsche verstrickt seien - doch daran habe sich im Wahlkampf keiner der Trump-Berater gestört, da keiner erwartet habe, dass Trump auch gewinnt.

Über das Personal im Weißen Haus:

Ivanka Trump

Ivanka Trump

Foto: CATHAL MCNAUGHTON/ REUTERS

Wolff zitiert aus einer angeblichen E-Mail, die Gedankengänge von Gary Cohn umschreiben soll, dem Top-Wirtschaftsberater Trumps und ehemaligen Goldman-Sachs-Chef: Trump sei "ein Idiot, der von Clowns umgeben" werde. Und weiter: "Ich bin in einem konstanten Zustand von Schock und Horror." Schwiegersohn und Berater Kushner, so Wolff an anderer Stelle, gelte als "Butler" und eine "Figur von enormer Torheit und Lächerlichkeit", trotzdem sei er unter anderem mit dem Nahost-Friedensprozess betraut.

Trumps Tochter Ivanka, sei eine "selbstzufriedene, abgelenkte, ganz normale Gesellschaftstante". Sie habe mittlerweile Ambitionen, die erste US-Präsidentin zu werden. Der "Redenschreiber" und rechtskonservative Ideologe Stephen Miller sei "unfähig, Sätze zu konstruieren". Überfordert von der Aufgabe, den manischen Präsidenten zu managen, halte der Stab schlechte Nachrichten von Trump fern und versuche, "Situationen zu schaffen, in denen er sich wohl fühlte, wie eine Art Blase, um ihn von einer böswilligen Welt abzuschotten".

Über Trump und die Medien:

Im Detail leuchtet Wolff die Hassliebe Trumps zu den Mainstream-Medien aus, die er als "Fake News" verteufelt, doch deren Aufmerksamkeit er täglich brauche. Trump giere danach, dass die Medienmacher "ihn ernst nehmen, über ihn redeten, ihn nach seiner Meinung fragten". Die täglichen Indiskretionen, die aus dem Weißen Haus an die US-Presse gelangten, allen voran an die angeblich von Trump verhasste "New York Times" und an die "Washington Post", stammten demnach oft von Trump selbst.

Der hänge jeden Abend im Bett am Telefon, heule sich bei seinen verbliebenen Freunden aus, plaudere Geheimnisse aus, die sich so "weiter in die Welt verbreiteten", mit seinem Wissen. Trump sei freilich nicht allein: So gut wie jeder Mitarbeiter im Weißen Haus stecke den Medien Interna zu, um gegen politische Widersacher zu intrigieren. Die ersten neun Amtsmonate Trumps seien brutale Grabenkämpfe verschiedener Fraktionen im West Wing gewesen. Deren Munition: "Leaks", die die anderen kompromittieren sollten.

Das Fazit:

Es bleibt weniger der Eindruck einer kriminellen Vereinigung, als die manche das Weiße Haus unter Trump gerne zeichnen. Autor Wolff zeichnet eher das Bild einer haarsträubenden Laien-Aufführung, die von einer Katastrophe in die nächste schlittert, ohne nennenswerten ideologischen Unterbau oder gar autokratisch gefärbte Ambitionen. Allein das ist schockierend genug.

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