Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Energie
  4. Strompreise: „Herwart“ offenbart Wahnsinn der Energiewende

Energie Negativpreis-Paradox

Strompreis-Kollaps durch „Herwart“ offenbart Wahnsinn der Energiewende

Sturm „Herwart“ wirbelt Strompreise durcheinander

Sturmtief „Herwart“ sorgte nicht nur für Verkehrschaos. Auch den Energiemarkt wirbelte er kräftig durcheinander. Der starke Wind erzeugte so viel Energie, dass der Strompreis ins Minus rutschte.

Quelle: N24/Louisa Lagé

Autoplay
Herbststurm „Herwart“ sorgte für Chaos auf dem deutschen Energiemarkt. Denn wegen des starken Windes fielen die Strompreise ins Negative – so sehr wie seit fünf Jahren nicht. Die Verbraucher haben nichts davon. Für sie wird es sogar teurer.

„Herwart“ hat in Deutschland für extreme Turbulenzen gesorgt. Jetzt wird jedoch offenbar, dass das Sturmtief am Wochenende nicht nur Bäume entwurzelt, Dächer abgedeckt und die Bahn lahmgelegt hat. Die Orkanböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde über Deutschland sorgten auch für Chaos am deutschen Energiemarkt.

Denn „Herwart“ sorgte für extrem viel Wind. Viel Wind, der wiederum so viel Energie erzeugte, dass der Strompreis geradezu kollabierte. Binnen Minuten drehten an der Energiebörse EEX die Preise für Elektrizität ins Minus, der Markt stand Kopf. Wer seinen Strom verkaufte, musste seinen Abnehmern plötzlich Geld bezahlen. In der Spitze rutschte der Preis auf minus 83,06 Euro pro Megawattstunde. Im Durchschnitt lag der Preis bei minus 52,11 Euro, so tief wie seit Weihnachten 2012 nicht mehr. Zu „normalen“ Zeiten wird der Strom für rund 37 Euro pro Megawattstunde gehandelt – plus 37 Euro.

Quelle: Infografik Die Welt

„Herwart“ zeigt auf ernüchternde Weise die eklatanten Konstruktionsmängel der deutschen Energiewende. Der Stromkollaps am Wochenende mag zwar besonders krass ausgefallen sein. Doch negative Preise an den Strombörsen gehören hierzulande inzwischen zum Energie-Alltag. Immer wenn die deutschen Solaranlagen oder Windräder mehr Energie produzieren, als gerade benötigt wird, es also zu einer Stromschwemme kommt, stürzen die Preise ab.

Grund ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Marktkräfte systematisch ausschaltet. Jeder Produzent grünen Stroms darf unabhängig von der Nachfrage seine Kilowattstunden ins Netz einspeisen. Die Netzbetreiber sind verpflichtet, die Elektrizität zu einem festen Vergütungssatz abzunehmen und überschüssigen Strom an der Börse EEX zu vermarkten. Private Verbraucher haben nichts von den Minuspreisen beim Strom, sondern müssen mittelbar sogar noch draufzahlen.

Wenn die Preise an den Strombörsen negativ sind, erhöht sich die Differenz zwischen garantiertem Vergütungssatz und dem Marktpreis und damit der entsprechende Subventionsbetrag. Und dies wiederum führt zur steigenden Erneuerbaren-Energie-Umlage, kurz EEG-Umlage, die die Bundesbürger zahlen müssen. Erst in diesem Jahr ist die Gebühr auf den Rekordwert von 6,88 Cent je Kilowattstunde gestiegen.

Quelle: Infografik Die Welt

„Immer wenn Strom produziert wird, den niemand unmittelbar braucht, entwickelt der Markt das Phänomen der Negativpreise“, erklärt Tobias Struck, Leiter Energiespeicher beim norddeutschen Versorger Wemag. „Das liegt daran, dass es noch immer nicht genug Möglichkeiten gibt, überschüssige Energie zu speichern oder umzuwandeln.“

Bei jeder physischen Ware würde der Preis bei einer Überproduktion bis auf null fallen. Die überschüssigen Güter würden entsorgt werden. „Strom jedoch lässt sich nicht entsorgen. Er muss Abnehmer finden – um jeden Preis. Sogar für einen negativen“, sagt Struck.

Nachbarländer profitieren vom Negativpreis-Paradox

Seit 2012 kam es an 16 Tagen zu einem negativen Durchschnittspreis an der EEX, allein sieben Mal in den vergangenen beiden Jahren. Legt man Tagesschwankungen und nicht die Durchschnittsnotierungen zugrunde, drifteten die Preise deutlich häufiger ins Negative. „Für die Betreiber von konventionellen Kraftwerken lohnt es nicht, in Zeiten der Stromschwemme die Anlagen runterzufahren. Die zahlen lieber Minuspreise“, heißt es bei der EEX.

Profiteure dieses Negativpreis-Paradoxes sind regelmäßig die Nachbarländer der Bundesrepublik. „Sie nehmen unseren überschüssigen Strom gern ab und fahren gleichzeitig ihre eigenen Kraftwerke runter“, sagt Branchenexperte Struck. Vor allem in Ländern wie der Schweiz und Österreich funktioniert diese Methode prächtig. Betreiber von sogenannten Pumpspeicherbecken im Hochgebirge füllen mit dem deutschen Umsonst-Strom ihre Stauseen. Zum perfekten Geschäft wird diese Praxis dann, wenn der Strom aus diesen Kraftwerken später zu lukrativen Preisen nach Deutschland zurückverkauft wird.

Anzeige

Um derart absurde Entwicklungen zu beenden, fordern Energie-Experten den Einsatz alternativer Technologien. Viele favorisieren dabei die Idee vom „grünen Gas“. Dabei geht es um Wasserstoff, der durch Strom erzeugt wird. Und zwar durch den Strom, der zu viel ist, der übrig bleibt – wenn der Wind wie im Falle „Herwart“ besonders stark weht oder die Sonne ungewöhnlich lange und intensiv scheint.

Der durch überschüssige Energie erzeugte Wasserstoff wird in die Rohrnetze geleitet und verdrängt dort das fossile Gas. „Der Vorteil dieser Idee ist, dass das großflächige und weitverzweigte Gasnetz gleichzeitig ein riesiger Speicher ist, der die überschüssige Energie ideal aufnehmen kann“, erklärt Speicher-Fachmann Struck. Diese Methode hätte zudem den Vorteil, dass auch der Stromtransport über teure Trassen oder überlastete Netze unnötig wäre. Der Strom wird gleich dort, wo es zu viel davon gibt, in Gas umgewandelt und muss nicht erst über die Stromnetze transportiert werden.

Politik blockiert Idee vom „grünen Gas“

Und auch umgekehrt funktioniert dieses Prinzip. Denn droht eine sogenannte Dunkelflaute, also ein Zeitraum, in dem weder die Sonne scheint noch der Wind weht, lässt sich aus dem Gas durch CO2-freies Verbrennen wieder Strom machen. Sogar das Grundlast-Problem scheint gelöst. Gibt es doch mal zu wenig grünes Gas, wird das konventionelle Pendant aus Russland genutzt.

Bislang scheitert der Durchbruch der „Grünes Gas“-Technologie allerdings an der fehlenden Unterstützung des Gesetzgebers. „Solange überschüssiger Strom vom Staat auch noch ‚belohnt‘ wird, fortschrittliche Methoden jedoch nicht, gibt es keinen Grund, neue Technologien ausgiebig zu erproben“, erklärt Speicher-Experte Struck.

Vielleicht aber bewirkt schon „Herwart“ ein Umdenken. Es wird Zeit, diesen gravierenden Konstruktionsfehler der Energiewende zu beheben.

Das macht die Bergung des Frachters schwierig

Die Bergung des gestrandeten Frachters „Glory Amsterdam“ ist schwieriger als gedacht. Der Sturm „Herwart“ hatte den Ölfrachter auf eine Sandbank vor Langeoog getrieben.

Quelle: N24/Kevin Knauer

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema