Mitternächtliches Minister-Massaker

Präsident Jacob Zuma entlässt mit seinem Finanzminister den letzten Stabilitätspfeiler seiner Regierung für die internationalen Finanzmärkte. Der Ausverkauf des Landes an Zumas Vasallen erreicht damit eine schockierende Dimension.

Christian Putsch, Kapstadt
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Der südafrikanische Finanzminister Pravin Gordhan – hier am Freitag vor seinem Büro in Pretoria – wurde nach tagelangen Gerüchten von Präsident Jacob Zuma entlassen. (Bild:Siphiwe Sibeko / Reuters)

Der südafrikanische Finanzminister Pravin Gordhan – hier am Freitag vor seinem Büro in Pretoria – wurde nach tagelangen Gerüchten von Präsident Jacob Zuma entlassen. (Bild:Siphiwe Sibeko / Reuters)

Das südafrikanische Lied «Senzeni Na» wird normalerweise auf Beerdigungen angestimmt. Doch am Freitag betrauerten Dutzende Angestellte des Finanzministeriums mit dem Song die Absetzung ihres Chefs Pravin Gordhan und damit einen der wohl grössten Rückschritte in der Geschichte der südafrikanischen Demokratie. «Was haben wir getan?», sangen sie, «unsere Sünde ist die Wahrheit.»

Gordhan galt mit seiner strikten Fiskalpolitik als einer der wenigen verbliebenen Vertrauenspfeiler des Schwellenlands für die internationalen Finanzmärkte. Mit breiter Brust stellte er sich gegen die Korruption von Präsident Jacob Zuma, der seinen Vasallen Milliardenaufträge für den Bau von Atomkraftwerken zuschanzen will und Südafrika mit radikal erhöhten Staatsausgaben in eine Schuldenkrise treibt. 15 Monate hielt sich Gordhan auf seinem Posten; am Freitag wurde er schliesslich zum Opfer eines beispiellosen Plots von Zuma.

Ein Drittel des Kabinetts ersetzt

Amtierender Finanzminister ist seit Freitag der bisherige Innenminister Malusi Gigaba, ein ehemaliger Lehrer, der keine Finanzerfahrung mitbringt, dafür die in Südafrika weit nützlichere Qualifikation blinder Zuma-Loyalität. Nebenbei besetzte Zuma gleich neun weitere Ministerposten und damit fast ein Drittel seines Kabinetts neu. Er wolle, teilte er in einer nächtlichen Videoerklärung mit, «von der Energie, Erfahrung und Expertise jüngerer Abgeordneter profitieren». Bei den Entlassenen handelt es sich praktischerweise fast ausschliesslich um parteiinterne Kritiker.

Schockwellen verbreitet dabei aber vor allem die Personalie Gordhan, die Zuma mit seiner Politik des «radikalen sozioökonomischen Wandels» erklärte. Der Rand verlor bis zum Freitagmittag im Vergleich zum Vortag fünf Prozent zum Dollar. Die Bankaktien sanken in ähnlicher Grössenordnung.

Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft sprach von einem Beitrag zur weiteren Verunsicherung im Land. Es sei zu hoffen, dass Südafrika zügig zu einem Kurs der politischen Berechenbarkeit zurückfinde. Rating-Agenturen werden Südafrikas Bonität in den kommenden Monaten neu bewerten, Analysten befürchten die Abstufung auf Ramschstatus (Junk) – das Land ist ohnehin nur noch eine Stufe davon entfernt.

Vizepräsident distanziert sich von Zuma

Gordhans Entlassung hatte sich seit Wochenbeginn angedeutet, als er zusammen mit seinem Stellvertreter Mcebisi Jonas von einer Reise in England zurückbeordert wurde. Zuma berief sich parteiintern auf einen vermeintlichen Geheimdienstbericht mit dem Titel «Operation Checkmate», laut dem Gordhan den Sturz der Regierung mithilfe internationaler Banken geplant habe.

Als «absoluten Unsinn» bezeichnete der angebliche Hochverräter den Bericht und bekam erstaunlich offene Rückendeckung aus der Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC), die Zumas Skandale bisher stoisch ertragen hatte. Südafrikas Vizepräsident Cyril Ramaphosa distanzierte sich deutlich von Zuma und sprach von substanzlosen Vorwürfen, die «absolut, absolut inakzeptabel sind». Er sei nicht einverstanden mit der Absetzung, Gordhan habe dem Land herausragend gedient.

Zuma hatte Ramaphosa und die fünf weiteren Mitglieder der ANC-Führungsspitze bei einer Dringlichkeitssitzung am Donnerstagabend vor vollendete Tatsachen gestellt. Konsterniert sagte tags darauf der sonst auf Einigkeit bedachte Generalsekretär der Partei, Gwede Mantashe, die Liste der geschassten Minister sei «irgendwo anders entwickelt worden», also ausserhalb der Parteistrukturen. Die Entwicklung stimme ihn «sehr unbehaglich».

Damit stärkt Mantashe jene, die Zuma als Marionette der Guptas sehen. Die indische Unternehmerfamilie hat Verwandte des Präsidenten in ihre Geschäftsstrukturen eingebunden und würde voraussichtlich von dem Bau der Atomkraftwerke profitieren.

Opposition kündigt Misstrauensvotum an

Ein Bericht der Ombudsfrau des Parlaments kam im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass die Guptas Zuma bei der Besetzung von Regierungsposten beeinflussen. Dazu passt die Darstellung des nun entlassenen Vizefinanzministers Jonas. Unter Eid sagte er aus, ihm seien im Jahr 2015 von einem Angehörigen der Familie der Aufstieg zum Minister und umgerechnet 40 Millionen Euro Schmiergeld versprochen worden, wenn er im Sinne des Konzerns handeln werde.

Zuma überstand auch diesen Skandal. Zum Ende seiner Präsidentschaft pokert er jedoch so hoch wie nie. Er versucht seine Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma, bis vor wenigen Wochen erfolglose Vorsitzende der Afrikanischen Union, beim ANC-Wahlparteitag im Dezember als Nachfolgerin an der Spitze der Partei und später auch des Landes zu installieren. Damit will der 74-jährige Zuma auch verhindern, dass die ihm vorgeworfenen Korruptionsdelikte nach seinem Rücktritt aufgearbeitet werden. Bei Ramaphosa, der als Hauptkonkurrent gilt und in Wirtschaftskreisen hochangesehen ist, wäre dies ungleich wahrscheinlicher.

Der Präsident spürt, dass die Unterstützung schwindet. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte hochrangige Parteiquellen, gemäss denen Zuma als Gegenleistung für die Gordhan-Entmachtung seinen Rücktritt als Präsident Südafrikas schon im Jahr 2018, also ein Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit, in Aussicht gestellt habe.

Doch Zumas Ende könnte womöglich noch viel früher kommen. Die Opposition hat am Freitag den Antrag auf ein Misstrauensvotum angekündigt. Für die Abwahl Zumas reicht die einfache Parlamentsmehrheit, neben den Oppositionsparteien müssten dafür auch 50 der 249 ANC-Abgeordneten gegen ihn stimmen. Das galt lange als Utopie, seit Donnerstagabend nicht mehr.

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