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Angriffe, Verkauf, Zerschlagung Amerikas Medien unter Beschuss

Was hat der Verkauf des "Time"-Magazins mit Trumps Attacken auf CNN zu tun? Es sind nur zwei von vielen Beispielen, wie bedroht die US-Pressefreiheit ist. Im Mittelpunkt der Umtriebe: der Präsident.
US-Präsident Donald Trump vor Medienvertretern am Weißen Haus

US-Präsident Donald Trump vor Medienvertretern am Weißen Haus

Foto: Mark Wilson/ Getty Images

Steve Lacy ist der Mogul, den keiner kennt. Der Chef des Meredith-Konzerns ("Better Homes & Gardens", "Parents", "Martha Stewart Living") führt sein Medienimperium von Iowa aus, im Herzen der USA. Er war zweimal Verleger des Jahres und engagiert sich für gute Zwecke. Viel mehr wusste man nicht.

Bisher. Doch durch seine Übernahme des legendären US-Verlags Time Inc. ("Time", "People", "Fortune") ist der eigentlich unpolitische Lacy plötzlich vielen ein Begriff - nicht zuletzt, weil der Deal erst dank einer kontroversen Geldspritze der konservativen Milliardärsbrüder Charles und David Koch zustande kam. Prompt gibt es Sorgen um die Unabhängigkeit der Magazine.

Die Sorgen sind berechtigt. Aber es geht hier um viel mehr als die Zukunft von "Time", einer amerikanischen Institution. Dass demnächst zwei stramm rechte Strippenzieher Miteigentümer sind, ist nur eines von immer mehr beunruhigenden Zeichen, wie sehr die US-Medien und die Medienfreiheit zurzeit unter Beschuss stehen - wirtschaftlich, gesellschaftlich wie politisch.

Die Geldgeber sind erzkonservative Großspender der Republikaner

Im Mittelpunkt dieser Umtriebe steht US-Präsident Donald Trump. Der attackierte "Time" - kaum Zufall - zwei Tage vor Bekanntgabe des Verkaufs. Auch verschärft er gerade seine Breitseiten gegen CNN, dessen Mutterhaus eine lebenswichtige Fusion plant,und gegen andere kritische Mainstream-Medien geht Trump vor - zugunsten von Fox News und anderer Trump-freundlicher Organe.

Das offenbart bestenfalls ein ignorantes Demokratieverständnis - und schlimmstenfalls üble Absichten. "Die täglichen Attacken Trumps auf die Presse sind ein Alarmsignal", warnt der Autokratie-Experte Brian Klaas. "Er ist ein Möchtegern-Despot und eine echte Bedrohung für die Demokratie."

Was hat das mit Steve Lacy zu tun? Sein Konzern Meredith griff schon mal vergeblich nach "Time". Jetzt erfüllen die Kochs ihm diesen Traum, indem sie die 2,8-Milliarden-Dollar-Transaktion mitfinanzieren. Ihr Konzern ist das zweitgrößte US-Privatkonglomerat, die Brüder sind Großspender  der Republikaner. 2016 distanzierten sie sich von Trump, strecken die Fühler aber nun wieder aus.

"Der redaktionelle Betrieb und die kreativen Funktionen sind heilig", schwor Lacy am Montag in einer Schaltkonferenz mit Wall-Street-Analysten: Die Kochs seien nur "passive" Investoren und beanspruchten keinerlei Mitspracherecht.

Trump: Direkte Attacken gegen CNN und "Time"

Daran bestehen Zweifel. So etwas in der Art hatte auch Rupert Murdoch versichert, als er sich 2007 das "Wall Street Journal" einverleibte; das Gegenteil trat dann ein. "Es wäre naiv zu glauben, dass die Koch-Brüder keinen redaktionellen Einfluss hätten", sagte Richard Stengel, der Ex-Chef von "Time" und spätere Außenstaatssekretär, dem Magazin "Politico".

Dazu müssten die Kochs nicht mal offen intervenieren. Nach Informationen der "Financial Times" planen sie mit Meredith bereits eine Zerschlagung des Time-Verlags. Einer der Interessenten: David Pecker, der Herausgeber des Supermarkt-Klatschblatts "National Enquirer" - ein guter Freund Trumps.

Trump nahm "Time" auch direkt aufs Korn: Auf Twitter tat er, als habe es ihn erneut zur "Person des Jahres" küren wollen, er habe aber abgelehnt. Die bizarre Episode zeigt, wie sehr "Time" ihn bewegt und wie wenig er sich um die Wahrheit schert - so kam ja auch heraus, dass er gefakte "Time"-Cover mit seinem Konterfei in seinen Golfklubs hängen hatte.

Mehr noch als "Time" beschäftigt ihn aber CNN. Obwohl er behauptet, er sehe den Nachrichtensender nie, tobt Trump seit Langem gegen ihn. In den letzten Tagen hat er diese gezielte Kampagne nun spürbar verschärft.

So blockiert er die Fusion der CNN-Mutter Time Warner - zu der früher auch Time Inc. gehörte - mit AT&T. Angeblich, um sie zu zwingen, CNN ebenfalls abzustoßen - und so womöglich Murdoch zuzuschachern, der wiederum den Trump-Haussender Fox News besitzt. Nichts ist hier Willkür, alles passt zusammen.

"Ungeheure Angriffe"

Trumps Zorn galt dabei erstmals auch CNN International, der weltweiten Ausgabe des US-Networks: Das vertrete "unsere Nation" nur "mangelhaft" in der Welt, twitterte er am Wochenende.

Mit seinem Krieg gegen CNN höhlt Trump die globale Pressefreiheit mutwillig aus: Statt sie vor Autokraten zu verteidigen, gefährdet er Journalisten in Ländern, wo sie bedroht ist. "Trumps Worte sind eine direkte Attacke auf die Sicherheit dieser Reporter", schreibt der konservative Autor David Frum. Zumal Trump seine jüngste CNN-Breitseite am selben Tag zündete, da Russland sein bisher restriktivstes Gesetz gegen ausländische Medien erließ.

"40 Jahre meines Lebens vergeudet", lamentiert der frühere CIA-Direktor Michael Hayden, der neuerdings vom Medienfeind zum Medienfreund mutiert ist. "Bisher hielt ich es für undenkbar, dass ein amerikanischer Präsident zu solch ungeheuren Angriffen auf die Wahrheit, eine freie Presse oder den ersten Verfassungszusatz in der Lage ist."

Die Anteilseigner des Time-Verlags sehen das vielleicht etwas pragmatischer. Ihre Aktien schossen am Montag um fast zehn Prozent in die Höhe. Am Ende ist es dann doch nur eine Frage des Geldes.

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