„Washington Post“-Journalist : „Trump hat seit 30 Jahren ein lockeres Verhältnis zu Fakten“
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Ein Mann mit einer „situativen Wahrheit“: Donald Trump Bild: Reuters
Mehr als 2000 falsche Behauptungen innerhalb der ersten 355 Tage: Donald Trump hat ein eigenwilliges Verständnis von Wahrheit. Wie kommt man ihm auf die Schliche? Ein Gespräch mit Glenn Kessler, der bei der „Washington Post“ die Fakten überprüft.
Am vergangenen Freitag hat sich der amerikanische Präsident ins Walter Reed National Military Medical Center in Bethesda im Bundesstaat Maryland begeben, um sich in einer routinemäßigen ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Bis auf leicht erhöhte Cholesterin-Werte und etwas zu viel Fleisch auf den Rippen fand der Doktor keine besonderen Vorkommnisse. Nicht einmal eine Fakten-Allergie.
Die könnte man Donald Trump aber auch ohne ärztliches Zutun bescheinigen. Die Zeitung „Washington Post„ hat mitgezählt und kommt in ihrer Datenbank auf mehr als 2000 falsche Behauptungen, Lügen und Fakten, die sich biegen wie eine Palme – und das innerhalb der ersten 355 Tage von Trump im Amt. Ein Gespräch mit Glenn Kessler, der bei der „Washington Post“ als „Fact Checker“ arbeitet – und seit Jahren die bei Politikern in der Hauptstadt so unbeliebten „Pinocchio-Nasen“ vergibt.
Mr. Kessler, können Sie uns bitte kurz beschreiben, wie Sie zum „Fact Checker“-Blog der „Washington Post“ kamen, wie groß Ihr Team ist, und wie Sie arbeiten?
Ich arbeite dort seit sieben Jahren, gegründet wurde der „Fact Checker“ vor zehn Jahren. Ursprünglich wurde er für den Wahlkampf 2008 ins Leben gerufen. Danach hat die Post ihn deaktiviert und erst im Frühjahr 2011 wiederbelebt.
Warum wurde er 2011 dann reaktiviert?
Anscheinend gab es 2011 mit einem Mal ein gesteigertes Interesse an diesen Faktenchecks. Irgendein Artikel hatte plötzlich sehr viel Zuspruch auf unserer Webseite. Die Wahrheit wird ja nicht alt. Die Idee, einer Behauptung auf den Grund zu gehen, bleibt universell. Sehr viele Leser wollten sich zu dem Zeitpunkt über alte Geschichten informieren. Fast 50 Prozent unserer Checks kommen übrigens von Leseranfragen: Könnt Ihr nicht mal dies oder das untersuchen?
Und wie gehen Sie Ihre Arbeit an?
In den vergangenen paar Jahren haben mir dabei zwei Kollegen geholfen, eine Kollegin kümmert sich zusätzlich um Videos. Die Idee des „Fact Checker“ ist weniger, den Leuten eine Nase zu drehen, als eine Behauptung zu untersuchen, die unseren Lesern ein Sachthema nahebringt. Wer uns regelmäßig liest, lernt sehr viel über verschiedene Bereiche der Politik. Das kann Innen-, Außen-, Gesundheits- oder Bildungspolitik sein. Im Grunde sind die Falschaussagen nur ein Vehikel, um eine bestimmte Angelegenheit, die gerade durch die Nachrichten geistert, detailliert zu betrachten.
Wann haben Sie gemerkt, dass der aktuelle Präsident besondere Aufmerksamkeit benötigt?
Das war von Anfang an klar. Ich kenne Donald Trump seit 30 Jahren. Ich habe in der Vergangenheit als Wirtschaftsreporter bereits über ihn und seine Geschäfte berichtet. Er hatte schon damals ein ziemlich lockeres Verhältnis zur Faktenlage. Wir haben dann zuerst seine Antrittsrede am Anfang des Wahlkampfes genauer unter die Lupe genommen. Zugegeben hat es etwas gedauert, bis wir uns dauerhaft auf ihn einstellen mussten. Erst war ja gar nicht so ganz sicher, ob er das Rennen um die Kandidatur auch wirklich ernst meint. Und viele seiner Aussagen waren so sinnfrei, dass wir uns gar nicht darum gekümmert haben.
Dann haben Sie aber angefangen, eine Datenbank anzulegen, die all seine Lügen und falschen Behauptungen auflistet.
Viele seiner Aussagen haben ja nichts mit uns zu tun. Das heißt, wir haben uns nur auf die substantiellen Aussagen versteift, nicht auf jedes Wort, das aus Trumps Mund kommt. Es muss schon einen Sachbezug haben, damit wir anfangen, eine Behauptung zu überprüfen.
Wie einfach ist es, sich in den Kopf von Trump zu versetzen, wenn Sie anfangen nachzuprüfen, wie er auf diese oder jene Aussage kommt?