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Ausland Liberalen-Chefin Lubnauer

„Ja, die jungen Polen sind ziemlich rechts“

Sollte Katarzyna Lubnauer es schaffen, die Partei zur führenden Oppositionskraft zu machen, könnte sie eines Tages – als dritte Frau seit 1989 – Regierungschefin werden Sollte Katarzyna Lubnauer es schaffen, die Partei zur führenden Oppositionskraft zu machen, könnte sie eines Tages – als dritte Frau seit 1989 – Regierungschefin werden
Katarzyna Lubnauer, Chefin der Modernen, sieht ihre Partei als „die Ikone der Mittelklasse“
Quelle: Łukasz Kamiński
Katarzyna Lubnauer, neue Chefin der polnischen Liberalen, kämpft gegen die regierende PiS und deren EU-Skepsis, Dirigismus in der Wirtschaftspolitik und Umbau des Rechtsstaats. Doch die Bevölkerung zieht nicht mit. Warum?

Vor wenigen Tagen feierte sie ihren größten Erfolg. Auf dem Kongress der liberalen Partei Die Moderne stieg Katarzyna Lubnauer auf das Podium. „Ich danke meinen Gegenkandidaten. Das war ein notwendiger, gesunder, demokratischer Wettbewerb.“ Die 48-Jährige aus Lodz, Polens drittgrößter Stadt, ist neue Chefin der „Modernen“. Aber die Mathematikerin Lubnauer will mehr: Ihre Partei soll, sagte sie in ihrer Dankesrede, „erst die führende Oppositionskraft werden und dann nach dem ersten Platz streben!“

Ihr Sieg war knapp, 149 Delegiertenstimmen für sie, 140 für den Gründer der Partei. „Ich danke Ryszard Petru dafür, dass er die Moderne geschaffen und erklärt hat, weiter mit uns arbeiten zu wollen.“ Wenn die Frau die Partei zur führenden Oppositionskraft macht, könnte sie eines Tages – nach Hanna Suchocka (1992-1993), Ewa Kopacz (2014-2015) und der seit 2015 amtierenden Ministerpräsidentin Beata Szydlo (PiS) als vierte Frau seit 1989 – Regierungschefin werden. Lubnauer sieht ihre Partei als „die Ikone der Mittelklasse“. Für sie ist eine „wirksame Verteidigung der polnischen Demokratie das Gebot der Stunde für die ganze Opposition“.

Petru verlor die Führung der Partei nur zwei Jahre, nachdem er sie gegründet hatte. Seine Schwierigkeiten begannen, als die Opposition vor einem Jahr über die Weihnachtszeit aus Protest gegen undemokratische Maßnahmen der Regierungspartei Tag und Nacht im Parlament ausharrte. In diesen dramatischen Tagen flog Petru mit einer verheirateten Parteifreundin für das Silvesterwochenende nach Portugal – und erntete Spott.

Katarzyna Lubnauer, neue Chefin der liberalen Partei Die Moderne und ihr Vorgänger Ryszard Petru
Lubnauer und ihr Vorgänger Petru
Quelle: picture alliance/NurPhoto

Seine Nachfolgerin an der Spitze der Modernen bittet heute zu Gast – im Empfangszimmer ihrer Fraktion mit der polnischen und der EU-Fahne. 7,6 Prozent bekam die Partei in ihren ersten Wahlen 2015 aus dem Stand und stellt heute die viertgrößte Fraktion. Auf dem Tisch steht eine Schale mit Obst, Lubnauer nimmt sich eine Banane: „Das ist heute mein Mittagessen.“ Auch künftig wird sie wohl wenig Zeit für geregelte Mahlzeiten haben.

Wenigstens das Weihnachtsfest wird sie diesmal mit ihrer Familie verbringen können – mit ihrem Mann, der als Finanzexperte in der Wirtschaft tätig ist, und der erwachsenen Tochter. Denn die Weihnachtsblockade der Opposition im vergangenen Jahr für Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit zeigte keine greifbaren Erfolge. Niemand hat Lust, das zu wiederholen.

Wut und Frustration

Derweil macht die von Jaroslaw Kaczynski geführte Regierungspartei PiS einfach weiter: EU-Skepsis, eine Vervierfachung der Sozialleistungen, Dirigismus in der Wirtschaftspolitik, Umbau des Rechtsstaats, Besetzung der Gerichte mit wohlgesinnten Richtern. Und die „law and order“-Regierung ist weiterhin beliebt. Warum?

Eine gängige These lautet, ähnlich wie in Deutschland bezüglich der CDU: Die regierenden Kräfte seien etwas nach links gerutscht und hätten ihre rechte, konservative Flanke freigegeben. „Es liegt unter anderem an der Einführung des Kindergelds durch die PiS, aber nicht nur“, sagt Lubnauer der WELT. „Die PiS genießt zurzeit noch einen Siegesbonus. Die Wähler mögen Sieger. Außerdem sind da die Fehler der Vorgänger, die nutzt die Regierung. Und die Wirtschaftslage ist hervorragend, die Arbeitslosigkeit auf einem historischen Tiefstand.“

Durch das Kindergeld ist die Geburtenrate tatsächlich gestiegen. Warum aber war die Vorgängerregierung unter Donald Tusk, geführt von der anderen liberalen Partei, der Bürgerplattform, nicht auf die Idee gekommen, ein Kindergeld einzuführen? „Sie hat mehr auf Infrastruktur gesetzt, auf Autobahnbau und Ähnliches“, sagt Lubnauer. Die Politikerin erinnert an einen Minister der damaligen Tusk-Regierung, Michal Boni. Der hatte in einem Bericht zur Lage der Jugend geschrieben, dass die prekären Arbeitsverträge, die Instabilität im Leben junger Menschen, große Wut und Frustration hervorgerufen hätten. Aber der Bericht wanderte vor dem Wahlkampf 2011 in die Schublade.

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Zudem wurde der fehlende Wohnraum nicht thematisiert: „Die frühere Regierung hat einfach übersehen, dass es viele arme, kinderreiche Familien und einen Mangel an Mietwohnungen gibt.“ Was ihre eigene Partei jetzt wolle, ist „ein umfassenderes Programm zur Familienförderung“. Vor allem aber: Reformen in Gesundheitswesen, Ausbildung, guter Regierungsführung und Transparenz.

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Ein weiterer Erfolg der PiS-Regierung ist die enorme Steigerung der Mehrwertsteuereinkünfte – durch Schlupflöcher waren dem Staat bisher Milliarden entgangen. Dadurch wird das geplante Haushaltsdefizit 2018 ein Drittel geringer ausfallen als im Vorjahr. Diesen Erfolg mag Lubnauer nicht allein dieser Regierung zuschreiben: „Einen Teil der neuen Instrumente hatte bereits die alte Regierung eingeführt. Und ein großer Teil der Mehreinkünfte sind einfach eine Folge des hohen Wirtschaftswachstums. Also warten wir ab, wie es damit weitergeht.“

Aber es geht nicht nur ums Geld. Ein Grund für den Erfolg der nationalkonservativen PiS-Regierung ist die Tatsache, dass noch nie zuvor so viele polnische Jungwähler sich als „rechts“ definierten. „Ja, die jungen Polen sind ziemlich rechts“, sagt Lubnauer. Jetzt seien Themen wie „nationale Würde“ und die Tradition der antikommunistischen Partisanen der Zeit nach 1945 angesagt. „Die Liberalen haben diese Themen unterschätzt. Die PiS hat diese Fragen von Identität und Würde geschickt genutzt und dazu Sozialleistungen angeboten.“

EU-Kommission verklagt Polen, Ungarn und Tschechien

Die EU-Kommission hat Tschechien, Ungarn und Polen verklagt. Die drei Mitgliedsländer weigern sich, Flüchtlinge nach dem 2015 beschlossenen Umverteilungsschlüssel aufzunehmen.

Quelle: N24/Kevin Knauer

Ob die Entwicklung in Polen Teil einer weltweiten Krise der Demokratie ist? „Das Phänomen besteht aus verschiedenen Elementen. Die Finanzkrise seit 2008. In Deutschland kam die Flüchtlingskrise dazu.“ Deutschland sei zwar sehr verantwortungsbewusst gewesen, aber die Veränderungen waren vielen Menschen wohl zu weit gegangen. „Jetzt haben wir die AfD. In Frankreich war es ähnlich. Wenn es zu einem kulturellen Mix kommt, wird das nie von der gesamten Gesellschaft akzeptiert.“ Heute hätten viele Länder eine Zeit, „in der die Kinder wissen, dass sie schlechter leben werden als ihre Eltern“.

Wenn das Gespräch auf die Europäische Union kommt, ist Lubnauer sicher: „Hier erleidet die PiS klare Niederlagen. Die Polen sind nach wie vor für die EU-Mitgliedschaft.“ Ihre Partei sei „klar für einen Beitritt zur Euro-Zone.“

Lubnauer hat einen schweren Job angetreten. Ihre Partei ist in den Umfragen von zeitweise 20 auf unter zehn Prozent gerutscht. Wegen eines Rechenfehlers hat sie Mittel der staatlichen Parteienfinanzierung verloren und etwa 1,2 Millionen Euro Schulden. Und wer schafft es, die Oppositionskräfte zu einem Bündnis zu formen? Heute bietet die Opposition – zwei liberale Parteien, die Bauernpartei, dazu die zersplitterte Linke, die es nicht einmal ins Parlament schaffte – das Bild eines zerstrittenen Aufgebots. Viele Augen richten sich daher auf Tusk, der 2020 zur Präsidentenwahl antreten könnte. Lubnauer unterstützt ihn: „Ja, wir und alle in der Opposition sollten eine solche Kandidatur ernsthaft erwägen.“

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