Reaktion auf Anschläge :
„Der Terror ,macht’ nicht unsere Angstkultur“

Von Sophia Bogner, Michael Graupner
Lesezeit: 6 Min.
Sicherheitsleute bei einem Zehn-Kilometer-Lauf in London am Montag: „Eine ganz schlichte Definition von Angst gibt es nicht“, sagt Historikerin Hitzer.
Das Gefühl der Bedrohung wird wegen der Terroranschläge zum ständigen Begleiter. Doch wie entsteht es? Und verändert es sich? Eine Historikerin und ein Psychiater über eine Emotion.
Frau Hitzer, Sie sind Historikerin und erforschen die „Geschichte der Gefühle“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Was ist für Sie Angst?

Als Historikerin habe ich keine klare Definition von Angst. Mein Zugang ist zunächst, zu fragen, was die Menschen selbst unter Angst verstehen. Da merkt man schnell, eine ganz schlichte Definition von Angst gibt es nicht.

Herr Ströhle, Sie leiten die Ambulanz für Angsterkrankungen an der Charité. Was ist für Sie Angst?

Wir Mediziner können ohne klare Definition natürlich nicht arbeiten. Ich würde Angst als eine Alarmreaktion beschreiben, die bei einer potentiellen Bedrohung auftritt und zur Mobilisierung von Energiereserven führt.

Historikerin Bettina Hitzer und den Neurowissenschaftler und Psychiater Andreas Ströhle
Historikerin Bettina Hitzer und den Neurowissenschaftler und Psychiater Andreas StröhlePrivat
Geht es da immer um reale Bedrohungen?

Hitzer: Genau das ist doch die interessante Frage, gerade wenn es darum geht, Angst zur Manipulation zu benutzen. Das heißt, die Angst war vielleicht unnötig, weil die Bedrohung gar nicht so groß war.

Ströhle: Im medizinischen Bereich reden wir nur von unnötiger Angst, wenn eine Erkrankung vorliegt. Ansonsten liegt es in der Natur der Sache, dass die Alarmreaktion angeschmissen wird, bevor ich die Situation wirklich evaluiert habe. Wir können immer erst im Nachhinein sagen, ob das nur ein Kater war, der da saß, oder ob ich vor dem Löwen erschrocken bin und meine Entscheidung aufzuspringen richtig war.

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